12.09.2019

Gezahlte Optionsprämie als Teil der Anschaffungskosten der nach Optionsausübung zum Basispreis erworbenen Aktien

Die für die Einräumung der Option ursprünglich angefallenen Anschaffungskosten sind bei Optionsausübung als Anschaffungsnebenkosten Teil der Anschaffungskosten der zum vereinbarten Basispreis erworbenen Aktien.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.5.2019 - XI R 44/17

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, § 6 Abs. 1 Nr. 2
HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2, § 255 Abs. 1 Satz 1


Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören neben den nachträglichen Anschaffungskosten als Folgekosten auch die Nebenkosten des Erwerbsvorgangs (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Dieser handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition im EStG auch der steuerbilanziellen Beurteilung zugrunde zu legen. Die Annahme von Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB setzt Aufwendungen des bilanzierenden Steuerpflichtigen voraus. Erforderlich ist eine bilanzielle Belastung, etwa durch den Abgang oder die wertmäßige Verringerung eines Aktivpostens oder durch den Zugang eines Passivpostens.

Der Begriff der Anschaffungskosten ist wegen der Einbeziehung von Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten grundsätzlich umfassend. Er enthält - unter Ausschluss der Gemeinkosten - alle mit dem Anschaffungsvorgang verbundenen Kosten, somit neben der Entrichtung des Kaufpreises alle sonstigen Aufwendungen des Erwerbers, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbesondere zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen. Dagegen ist unerheblich, ob diese Kosten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im Anschluss hieran als Folgekosten des Erwerbsvorgangs entstehen.

Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts können nur solche Kosten sein, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten dessen Beschaffung tatsächlich zuzuordnen sind. Hierzu ist ein bloßer kausaler oder zeitlicher Zusammenhang mit der Anschaffung nicht ausreichend. Vielmehr kommt es auf die Zweckbestimmung der Aufwendungen an (sog. finaler Begriff der Anschaffungskosten). Dieser Zweck muss - aus der Sicht des Bilanzierenden - auf die beabsichtigte Funktion und Eigenschaft ("angestrebter Erfolg und betriebsbereiter Zustand") des angeschafften Wirtschaftsguts als Teil des Betriebsvermögens gerichtet sein.

Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB). Daraus folgt u.a., dass Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln sind. Der Zugang von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen führt zu einer bloßen Umschichtung in der Bilanz in Höhe der Anschaffungskosten; ein unterschiedlicher Ansatz von Zu- und Abfluss ist ausgeschlossen. Eine Gewinnrealisierung kann nur aufgrund nachfolgender betrieblicher Umsatzakte erfolgen.

Nach diesen Grundsätzen war im Streitfall als Anschaffungskosten der erworbenen Aktien die Summe aus dem von der Steuerpflichtigen geleisteten Basispreis und den Anschaffungskosten der Option (gezahlte Optionsprämie) anzusetzen. Dies hatte im Streitfall eine Gewinnerhöhung zur Folge, denn die Differenz zwischen dem Buchwert der eingesetzten Optionsscheine und deren historischen Anschaffungskosten führte zu einem steuerpflichtigen Ertrag.

Bestandteil der Anschaffungskosten i.S. von § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der von der Steuerpflichtigen für den Erwerb der in Rede stehenden Aktien geleistete Basispreis. Zu den Anschaffungskosten als Nebenkosten des Erwerbsvorgangs i.S. von § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB gehört außerdem das von der Steuerpflichtigen im Rahmen des Erwerbs der emittierten Optionsanleihe anteilig für die Option zum Erwerb von 210.000 Aktien gezahlte Entgelt.

Bei dem Optionsrecht handelt es sich um ein nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut, für das eine Teilwertabschreibung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Betracht kommt und im Streitfall auch vorgenommen wurde, wenn der Börsenwert der Option bzw. bei nicht börsengehandelten Optionen der innere Wert gesunken ist. Als Anschaffungskosten dieses Vermögensgegenstands gilt der Preis für den Erwerb der Option.


BFH, Urteil vom 22.5.2019, XI R 44/17, veröffentlicht am 12.9.2019.
Verlag Dr. Otto Schmidt