Grundsatz der Akzessorietät für die Nachforderung von Kapitalertragsteuer
KurzbesprechungAO § 167 Abs. 1 Satz 1, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 15, § 174 Abs. 4 Sätze 1 und 3, § 191 Abs. 5
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1, 2 und 5
UmwStG a.F. § 15 Abs. 1
FGO § 123 Abs. 1 Satz 1
Im Streitfall führte eine verunglückte Abspaltung zu einer Sachausschüttung an die Gesellschafter der GmbH und damit zur Verpflichtung, Kapitalertragsteuer einzubehalten. Das FA erließ zunächst einen Nachforderungsbescheid für den Zeitraum 2003. Später stellte sich jedoch heraus, dass die Abspaltung nicht - wie ursprünglich vom FA angenommen - im Jahr 2003, sondern erst in 2004 in das Handelsregister eingetragen worden war. Daraufhin hob das FA den Nachforderungsbescheid wieder auf und erließ unter Berufung auf § 174 Abs. 4 AO einen neuen Nachforderungsbescheid gegenüber der GmbH für den "Zeitraum 2004.
Der BFH bestätigte die Rechtmäßigkeit des auf § 174 Abs. 4 Satz 3 AO gestützten Nachforderungsbescheides. Denn der an die GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge und Entrichtungsschuldnerin der Kapitalertragsteuer gerichtete Nachforderungsbescheid i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO ist formal ein die Entrichtungsschuld betreffender Steuerbescheid i.S. des § 155 Abs. 1 Satz 1 AO und kein Haftungsbescheid i.S. des § 191 AO, so dass die Änderungsnorm des § 174 AO grundsätzlich Anwendung findet.
Das FG war auch zutreffend davon ausgegangen, dass der ursprüngliche Nachforderungsbescheid aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ergangen war. Das FA hat diesen Bescheid deshalb zu Recht im Rahmen des gegen ihn geführten Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben. Denn das FA hatte seinen Irrtum über den Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister und den daraus folgenden Irrtum über den Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den ursprünglichen Nachforderungsbescheid erkannt und diesen zu Recht aufgehoben. Durch Erlass eines erneuten Nachforderungsbescheids wurden sodann gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus demselben Sachverhaltskomplex die zutreffenden kapitalertragsteuerlichen Folgerungen gezogen.
Der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids stand auch keine Exkulpation gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG entgegen. Denn eine solche setzt den Nachweis voraus, dass der Entrichtungsschuldner die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Ein solcher Nachweis war im Streitfall jedoch nicht erbracht worden.
Der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids stand im Ergebnis auch nicht entgegen, dass die der Entrichtungsschuld der GmbH zugrunde liegende Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Sachausschüttung im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bereits festsetzungsverjährt war. Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist der Primärschuld war im Streitfall gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, da der Nachforderungsbescheid innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des ursprünglichen Nachforderungsbescheids ergangen war. Außerdem war zum Zeitpunkt des Erlasses dieses ursprünglichen Nachforderungsbescheids noch keine Festsetzungsverjährung der Primärschuld eingetreten (§ 174 Abs. 4 Satz 4 AO).
Letztlich war der streitbefangene Nachforderungsbescheid auch nicht wegen einer zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld der GmbH rechtswidrig, da insoweit ebenfalls § 174 Abs. 4 Satz 3 AO greift.
BFH, Urteil vom 21.9. 2017, VIII R 59/14, veröffentlicht am 3.1.2018.