Haftet der Vermieter für den Sturz eines Mieters auf einer versandeten Garagenzufahrt?
AG Coesfeld 13.1.2016, 11 C 169/15Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus des beklagten Vermieters. Zu der Wohnung gehört eine im rückwärtigen Grundstücksbereich gelegene Garage, die über eine ca. 30 m lange gepflasterte Zufahrt von der Straße aus erreichbar ist. Die Hausordnung ist Bestandteil des Mietvertrages. Laut Hausordnung erfolgt die Reinigung der Hofräume einschließlich eventuell vorhandener Tordurchfahrten wechselweise durch alle Mieter nach Maßgabe einer vom Vermieter aufzustellenden Reinigungsordnung.
Die Klägerin behauptete, sie sei im Juni 2014 im Hofbereich unmittelbar vor ihrer Garage mit einem Fuß in eine versandete Vertiefung zwischen den Pflastersteinen der Zufahrt geraten, gestürzt, auf beide Hände und Knie gefallen und habe sich dadurch Schürfwunden und Prellungen an beiden Händen zugezogen. Durch die Prellungen hätten sich beide Daumensattelgelenke entzündet, wodurch sie in ihrer Erwerbsminderung eingeschränkt gewesen sei. So sei eine posttraumatisch aktivierte Rhizarthrose beider Daumensattelgelenke diagnostiziert worden.
Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte habe eine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Zustand der Garageneinfahrt sei mangelhaft gewesen. Überall auf dem Grundstück seien seit Jahren Verwachsungen, Absackungen und Versandungen vorhanden. Die Gefahrenquelle sei für sie nicht erkennbar gewesen, da die Vertiefung oberflächlich mit Sand angefüllt und verdeckt worden sei. Der Beklagte habe seit dem Jahr 2010 keinen Reinigungsplan mehr aufgestellt, weshalb sie auch nicht zur Reinigung der Garagenzufahrt verpflichtet gewesen sei. Sie forderte gerichtlich den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.
Das AG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz eines angemessenen Schmerzensgeldes gegen den Beklagten. Insbesondere hat sie keinen Anspruch wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht aus den §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m § 253 Abs. 2 BGB oder aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB.
Grundsätzlich ist der Kläger als Eigentümer und Vermieter des Grundstücks zwar verkehrssicherungspflichtig für die Garagenzufahrt. Der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht bemisst sich nach den Sicherheitserwartungen der jeweiligen Verkehrsteilnehmer. Der Verkehrssicherungspflichtige hat diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen.
Dies heißt aber nicht, dass der Sicherungspflichtige für alle nicht denkbaren, auch entfernteren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen muss. Denn eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist praktisch nicht möglich. Es müssen daher nur dann Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, wenn eine Gefahrenquelle trotz Anwendung der von den Verkehrsteilnehmern zu erwartenden Eigensorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar ist oder diese sich auf die Gefahreneinlage nicht einstellen können.
Infolgedessen hatte der Beklagte keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Denn es lag schon keine Gefahrenlage vor, auf die sich die Klägerin nicht einrichten konnte. Vielmehr hat sich in dem Sturz der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko realisiert, für das der Beklagte nicht einstehen musste. So musste sich die Klägerin aufgrund des Gesamteindrucks der Bodenbeschaffenheit der Garageneinfahrt darauf einstellen, dass insbesondere die versandeten und unebenen Stellen vorsichtiger Betreten werden müssen und musste den Versandungen ausweichen.
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