29.09.2015

Handschuhe an Türklinke kontaminiert - Hygienemangel stellt nicht gleich groben Behandlungsfehler dar

Es stellt zwar einen Hygienemangel dar, wenn ein Krankenhauspfleger eine Abszedierung an der Hand einer Patientin öffnet und dabei Handschuhe trägt, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt hat. Der Hygienemangel begründet aber keine Haftung des beklagten Krankenhauses, wenn die Patientin nicht nachweisen kann, dass ihr durch den Mangel ein Gesundheitsschaden entstanden ist.

OLG Hamm 17.8.2015, 3 U 28/15
Der Sachverhalt:
Die klagende Patientin litt unter Wirbelsäulenbeschwerden und musste sich zum Jahreswechsel 2011/2012 im beklagten Krankenhaus in Dortmund notfallmäßig behandeln lassen. Die damals 55-Jährige erhielt für wenige Tage zunächst einen Venenverweilkatether auf dem linken Handrücken und einen Schmerztropf.

Nach dem Entfernen des Katheters zeigte sich eine Entzündung der Vene (Thrombophlebitis) an der Einstichstelle und es bildete sich eine kleine Abszedierung. Diese wurde auf Anordnung des behandelnden Arztes von einem Krankenhauspfleger geöffnet. Dabei trug der Pfleger Handschuhe, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt hatte. In der Folge heilte die Thrombophlebitis - mit Salbenverbänden und antibiotisch therapiert - aus.

Bei einer weiteren stationären Behandlung der Klägerin Ende Januar 2012 in einer Bochumer Klinik zeigte sich eine Infektion der Bandscheiben im Bereich der Lendenwirbel (Spondylodiszitis). Im Blut der Klägerin fanden sich Erreger des Bakteriums Staphylokokkus aureus. Wegen Hygienemängel und wegen behaupteter weiterer Behandlungsfehler verlangte die Klägerin von der beklagten Klinik und dem Chefarzt ihrer orthopädischen Abteilung Schadensersatz und Schmerzensgeld i.H.v. 25.000 €.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG erfolglos. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Revisionsverfahren ist beim BGH unter dem Az.: VI ZR 529/15 anhängig.

Die Gründe:
Ein Behandlungsfehler war im vorliegenden Fall nur insoweit bewiesen, als der Pfleger beim Öffnen der Abszedierung an der Hand der Klägerin Handschuhe trug, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt und diese dadurch kontaminiert hatte. Da der Verstoß gegen den hygienischen Standard aber nicht als grob zu bewerten war, kam der Klägerin insoweit auch keine Beweislastumkehr zugute.

Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass (erst) beim Öffnen der Abszedierung Erreger in ihren Körper gelangt waren, die dann zu einer Entzündungsreaktion und in deren Folge zu der Spondylodiszitis führten. Der medizinische Sachverständige hatte es als sehr unwahrscheinlich bezeichnet, dass Abszess und Phlebitis als die primären Befunde unter fachgerecht durchgeführter Behandlung ausgeheilt waren, zugleich aber an anderer Stelle an eine schwer wiegende Entzündung verursacht hatten.

Nicht jeder Verstoß gegen den medizinischen Hygienestandard stellt gleich einen groben Behandlungsfehler dar. Ein Hygieneverstoß wiegt vielmehr umso schwerer und ist umso unverständlicher, je höher das Infektionsrisiko und je gravierender die Folgen einer möglichen Infektion sein können. Der Sachverständige hatte insoweit überzeugend ausgeführt, dass aus klinischer Sicht hinsichtlich der einzuhaltenden hygienischen Anforderungen in vier Risikogruppen unterteilt wird. Insofern wird danach differenziert, in welche Risikogruppe die Tätigkeit fällt, die unter Verletzung des hygienischen Standards vorgenommen wurde.

Im vorliegenden Fall war die infrage stehende Tätigkeit der untersten Risikogruppe zuzuordnen. Dies galt deswegen, weil es unwahrscheinlich ist, dass gegen den bei der Eröffnung eines Abszesses ausströmenden Eiter etwas in die Wunde gelangen kann. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass es gravierende Folgen nach sich zieht, wenn die - von vornherein nur bakterienarmen, nicht sterilen - Handschuhe durch das Berühren der Türklinke zusätzlich kontaminiert werden.

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OLG Hamm PM v. 29.9.2015
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