18.10.2016

Hausordnung muss "goldene Regel" des Wohnungseigentumsrechts erfüllen

Die Hausordnung muss die "goldene Regel" des Wohnungseigentumsrechts in § 14 Nr. 1 WEG, nämlich dass jeder von den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen vom Gemeinschaftseigentum in solcher Weise Gebrauch zu machen hat, dass dadurch keinem der anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, mit konkreten Regelungen erfüllen. Ein bloßer Verweis auf gesetzlich bereits geltende Regelungen reicht nicht aus.

AG Charlottenburg 16.9.2016, 73 C 33/16
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Berlin. Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung. In der Teilungserklärung aus dem Jahr 1982, deren Bestandteil eine Gemeinschaftsordnung ist, ist geregelt, dass der Verwalter im Einvernehmen mit dem Verwaltungsbeirat eine geeignete Hausordnung aufzustellen und deren Einhaltung zu überwachen hat. Bis April 2016 war allerdings weder vom Verwalter noch von der Wohnungseigentümerversammlung eine Hausordnung beschlossen gewesen.

Der Kläger brachte in die Eigentümerversammlung vom 11.4.2016 den Antrag ein, einen von ihm übersandten Entwurf einer Hausordnung durch Beschluss für verbindlich zu erklären. Dieser Antrag wurde auf den TOP 11 der Versammlung gesetzt. Es wurde daraufhin mehrheitlich beschlossen dass, in der Hausordnung stehe, dass die gesetzlichen Regelungen gelten würden und dies ausreiche. Der Kläger war jedoch der Ansicht, dass eine Hausordnung beschlossen werden müsse, in der die üblichen Regelungen zur Tierhaltung, Einhaltung von Ruhezeiten, Kellernutzung und Ähnlichem enthalten seien. Ein bloßer Verweis auf gesetzlich bereits geltende Regelungen widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung.

Seine Anfechtungsklage war erfolgreich. Das AG erklärte den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung für ungültig.

Die Gründe:
Die Anfechtungsklage war gem. § 43 Nr. 4 WEG zulässig. Ihr stand durchaus ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Dies konnte nicht mit der Erwägung verneint werden, die "gesetzlichen Regelungen", auf die in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen werde, gälten auch dann, wenn der angefochtene Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt würde. Der Beschluss konnte nämlich so verstanden werden, dass er den Anspruch des Klägers und eventuell anderer Eigentümer auf Aufstellung einer Hausordnung in dieser Gemeinschaft erfüllt und daher künftige Verpflichtungsbegehren in dieser Hinsicht schon deshalb scheitern müssten, weil es bereits eine bestandskräftig beschlossene Hausordnung gäbe. Unter diesem Gesichtspunkt blieb die Rechtslage durch die Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses auch nicht unverändert.

Die Klage war auch inhaltlich begründet. Dabei war zunächst darauf hinzuweisen, dass gem. § 21 Abs. 4 WEG jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen kann, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Aus § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG folgt, dass die Aufstellung einer Hausordnung eine solche Maßnahme ist, die jeder Eigentümer verlangen kann. Ungeachtet des unbestritten weiten inhaltlichen Ermessens der Eigentümer bei der Gestaltung dieser Hausordnung, kann diese Fassung des Gesetzes nur zu dem Schluss zwingen, dass eine Hausordnung stets aufgestellt werden muss, wenn auch nur ein Eigentümer dies verlangt.

Dieser Anspruch kann nicht dadurch erfüllt werden, dass - wie hier - lediglich beschlossen wird, dass die gesetzlichen Regelungen gelten. Denn unter einer Hausordnung ist im Wesentlichen eine Mehrzahl von Verhaltensvorschriften zu verstehen, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen. Außerdem können Regelungen über den Gebrauch des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums getroffen werden, soweit dies nach § 15 Abs. 2 WEG möglich ist. Die beschlossene Hausordnung muss sich daher zumindest bemühen, Regelungen aufzustellen, die diesen Zwecken entsprechen und auf die Situation der jeweiligen Wohnanlage und ihre Bewohner abgestimmt sind.

Infolgedessen muss die Hausordnung die "goldene Regel" des Wohnungseigentumsrechts in § 14 Nr. 1 WEG, nämlich dass jeder von den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen vom Gemeinschaftseigentum in solcher Weise Gebrauch zu machen hat, dass dadurch keinem der anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, mit konkreten Regelungen erfüllen. Der angefochtene Beschluss leistete in dieser Beziehung allerdings nichts.

Linkhinweis:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg