16.02.2016

Heizkostenvorschuss: Wann kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung?

Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB kommt nur zur Anwendung, sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Hierbei bleiben Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen.

BGH 20.1.2016, VIII ZR 152/15
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind seit November 1980 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Laut Mietvertrag müssen sie neben der Miete einen monatlichen Heizkostenvorschuss zahlen. Wegen der Abrechnung heißt es im Mietvertrag unter § 5.6, dass Spätestens am 30. Juni eines jeden Jahres über die vorangegangene Heizperiode abgerechnet werden müsse. Die Heizperiode läuft vom 1. Oktober eines Jahres bis zum 30. April des Folgejahres.

Ende Oktober 2012 hatte die Klägerin den Beklagten die Abrechnung über die Heizkosten 2011/2012 und die Wasserkosten 2011 übermittelt. Diese beinhaltete eine Nachforderung von rund 428 €, wobei 196 € auf die Heizkosten entfielen. Die Beklagten lehnten eine Zahlung ab und machten u.a. geltend, dass die Abrechnung verspätet erfolgt sei.

Das AG wies die auf Zahlung von 428 € sowie außergerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ab. Mit ihrer Berufung wandte sich die Klägerin gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich der Heizkostennachforderung von 196 € und der - aus einem Gegenstandswert von 428 € berechneten - außergerichtlichen Anwaltskosten, jedoch ohne Erfolg.

Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Heizkostennach-forderung und hinsichtlich der aus einem Gegenstandswert von 196 € zu berechnenden außergerichtlichen Anwaltskosten zum Nachteil der Klägerin erkannt wurde und wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der geltend gemachten Heizkostennachforderung von 196 € gem. § 535 Abs. 2, § 556 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 3, 5.6 des Mietvertrags sowie ein auf § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützter Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten nicht verneint werden.

Rechtsfehlerhaft hatte das Berufungsgericht der in § 5.6 des Mietvertrags vereinbarten Abrechnungsfrist von zwei Monaten ab der zum 30. April endenden Heizperiode die Wirkung einer Ausschlussfrist beigemessen. Es hatte bei seiner Deutung die bei der Auslegung von AGB geltenden Auslegungsregeln nicht hinreichend beachtet. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB kommt nur zur Anwendung, sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Hierbei bleiben Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu der Auslegung dahin, dass § 5.6 des Mietvertrags, wonach "spätestens am 30. Juni jeden Jahres über die vorangegangene Heizperiode abzurechnen" ist, keine Ausschlusswirkung dahin beizumessen, dass der Vermieter mit Ablauf dieser Frist gehindert ist, Heizkostennachforderungen geltend zu machen. Bereits der Wortlaut der Klausel spricht dafür, dass dort nur Regelungen über eine Abrechnungsfrist und nicht zugleich über Sanktionen für den Fall einer verspäteten Abrechnung getroffen wurden.

Vor allem entsprach - und hierauf kam es entscheidend an - die Auslegung, wonach die Klausel in § 5.6 des Mietvertrags keine Ausschlusswirkung im Fall einer verspäteten Abrechnung vorsieht, dem Verständnis redlicher und verständiger, die Interessen der normalerweise beteiligten Kreise, also von Mietern einerseits und Vermietern andererseits, berücksichtigender Vertragspartner. Hierbei war zunächst die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags im Jahr 1980 maßgebliche Gesetzeslage zu berücksichtigen. Zu diesem Zeitpunkt galt noch nicht § 556 Abs. 3 BGB, sondern die Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 S. 1 u. 2 MHG. Der Gesetzgeber hatte darin wegen damals im Zusammenhang mit der Erhöhung von Heizölkosten aufgetretener Zweifelsfragen bestimmt, dass nur angemessene Vorauszahlungen zulässig sind und dass über diese jährlich abgerechnet werden muss.

Dem Vermieter sollte hierdurch aber nicht das Recht abgeschnitten werden, die bislang versäumte Abrechnung über die Nebenkosten noch nachzuholen und den Mieter - auch nach Rechtskraft eines von diesem auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen erstrittenen Urteils - auf Zahlung der Betriebskosten beziehungsweise des sich aus der Abrechnung ergebenden Saldos in Anspruch zu nehmen. Insbesondere widerspräche es aber den bei der gebotenen objektiven Auslegung redlicherweise zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessen, der in § 5.6 des Mietvertrags vereinbarten Zweimonatsfrist zur Abrechnung über die Heizkosten auch eine Ausschlusswirkung für verspätete Nachforderungen beizumessen.

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