Hinweis des Finanzamts auf den Wegfall der Besteuerung nach Durchschnittssätzen
KurzbesprechungEStG §§ 13a Abs. 1 Satz 1, 13a Abs. 1 Satz 2, 13a Abs. 5 Satz 1, 4 Abs. 1 und Abs. 3
BewG § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c
AO §§ 141, 162
Im entschiedenen Fall hatte die Steuerpflichtige über Jahre ihren Gewinn nach § 13a EStG ermittelt, obwohl die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG unstreitig nicht vorlagen, da sie keine landwirtschaftlichen Flächen selbst bewirtschaftete. Liegen jedoch die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vor und ist der Steuerpflichtige vom FA darauf hingewiesen worden (§ 13a Abs. 1 Satz 2 EStG, aktuell: § 13a Abs. 1 Satz 4 EStG) oder ist ein solcher Hinweis nicht erforderlich, hat er seinen Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Führt der Steuerpflichtige weder die nach § 4 Abs. 3 EStG erforderlichen Aufzeichnungen noch - freiwillig oder dazu verpflichtet - Bücher (§ 141 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO), so ist die Finanzbehörde gemäß § 162 AO zur Schätzung befugt.
Einer Mitteilung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG )aktuell: § 13a Abs. 1 Satz 4 EStG) bedarf es, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG zunächst vorgelegen haben und in einem späteren Wirtschaftsjahr weggefallen sind. In diesem Fall führt der Wegfall der Voraussetzungen allein grundsätzlich noch nicht dazu, dass die Gewinnermittlung nicht mehr nach Durchschnittssätzen vorzunehmen ist. Vielmehr schließt erst die Mitteilung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG, die der Mitteilung gemäß § 141 Abs. 2 AO nachgebildet ist, als rechtsgestaltender Verwaltungsakt konstitutiv die Möglichkeit der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für die der Bekanntgabe der Mitteilung nachfolgenden Wirtschaftsjahre aus. Dies gilt auch für den Fall der Änderung der Voraussetzungen für die Anwendung des § 13a EStG, wie anlässlich einer gesetzlichen Neufassung.
Eine Mitteilung ist dagegen in den Fällen nicht erforderlich, in denen der Steuerpflichtige einen Betrieb neu eröffnet oder - damit vergleichbar - in denen er einen Betrieb gemäß § 24 UmwStG in eine Personengesellschaft eingebracht hat. Daneben hat der BFH das Erfordernis einer Mitteilung auch in den Fällen verneint, in denen das FA die Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen aufgrund wissentlich falscher Angaben des Steuerpflichtigen bejaht hat oder der Steuerpflichtige für das Jahr, in dem die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen letztmalig vorgelegen haben, keine Steuererklärung eingereicht hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen war.
Entsprechend entschied der BFH im aktuellen Streitfall (Streitjahr 2011), dass es allein aufgrund der langjährigen rechtswidrigen Duldung der Gewinnermittlung nach § 13a EStG einer Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht bedurfte. Denn haben die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, können sie auch nicht i.S. von § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG "weggefallen" sein.
Konstitutiv ist die Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG daher schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für den Wegfall der Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen. Einer besonderen Mitteilung des FA nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG bedarf es daher dann nicht, wenn die Voraussetzungen zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen wegen der in § 13a Abs. 1 EStG genannten Ausschließungsgründe von Anfang an nicht vorgelegen haben. In diesem Fall ist die Durchschnittssatzgewinnermittlung von Beginn an nicht zulässig, weil das Fehlen einer Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG hier keine negative Tatbestandsvoraussetzung ist.
Dieser Rechtsauffassung stehen auch die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Im Streitfall fehlte es schon aufgrund des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung an einem Vertrauenstatbestand, auf den sich die Steuerpflichtige hätte berufen können. Denn das FA ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegte Rechtsauffassung selbst dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt daher die Bildung eines Vertrauenstatbestands aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht. Einschränkungen bestehen nur im Rahmen des § 176 AO, dessen Voraussetzungen im Streitfall aber nicht gegeben waren.
Entstehenden Härten kann dadurch begegnet werden, dass dem Steuerpflichtigen gemäß § 148 Satz 1 AO - ggf. rückwirkend gemäß § 148 Satz 2 AO - in erforderlichem Umfang Erleichterungen zu bewilligen sind, falls eine Umstellung der Gewinnermittlung zum vorgesehenen Stichtag aufgrund der besonderen Umstände nicht mehr rechtzeitig möglich war. Darüber hinaus ist eine bei späterer Aufgabe dieser Würdigung entstehende Beweisnot des Steuerpflichtigen durch angemessene Abmilderung der Regeln für die strenge richterliche Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu berücksichtigen.
BFH, Urteil vom 23.8.2017, VI R 70/15, veröffentlicht am 13.12.2017.