24.10.2019

Hinzurechnung von Zinsen bei durchlaufenden Krediten

Besteht der Geschäftszweck eines Unternehmens darin, Darlehen aufzunehmen und an eine Tochtergesellschaft weiterzureichen, handelt es sich auch dann nicht um durchlaufende Kredite, wenn die Kredite ohne Gewinnaufschlag an die Tochtergesellschaft weitergegeben werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.7.2019 - III R 24/16

GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a

Nach § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz ´1 GewStG wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus Entgelten für Schulden wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe der nach § 8 Nr. 1 GewStG vorzunehmenden Hinzurechnungen den Betrag von 100.000 € übersteigt.

Nach der noch zur Vorgängerfassung des § 8 Nr. 1 GewStG ergangenen Rechtsprechung sind von der Hinzurechnung jedoch Zinsen für durchlaufende Kredite auszunehmen, da es sich insoweit um keine Dauerschulden i.S. dieser Vorschrift handelt. Die Rechtsprechung hat die Annahme eines solchen durchlaufenden Kredits von mehreren Voraussetzungen abhängig gemacht. Danach muss der aufgenommene Kredit nach dem Willen der Vertragschließenden zu einem außerhalb des Betriebs des Darlehensnehmers liegenden Zweck verwendet werden. Der Steuerpflichtige muss demnach den Kredit nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse aufgenommen haben.

Für eine solche Kreditaufnahme im fremden Interesse spricht z.B., wenn gegenüber dem Darlehensgeber offen gelegt wird, dass die Darlehensaufnahme für Rechnung eines Dritten erfolgt. Gegen eine Kreditaufnahme im fremden Interesse spricht hingegen, wenn der Darlehensnehmer die Kredite bilanziert und die entsprechenden Zinsen selbst als Aufwand verbucht. Der Darlehensnehmer muss auf eine ihm genau vorgeschriebene Weitervermittlung des Kredits und auf dessen Verwaltung beschränkt bleiben. Weiter darf dem Darlehensnehmer aus dem Vorgang kein über die bloßen Verwaltungskosten hinausgehender Nutzen erwachsen. Dabei sind auch mittelbar mit der Darlehensaufnahme in Zusammenhang stehende Vorteile schädlich.

Ein durchlaufender Kredit liegt danach nicht vor, wenn eine Organgesellschaft einen Kredit aufnimmt und die Kreditmittel an einen anderen zum Organkreis gehörenden Betrieb weiterleitet. In einem solchen Fall ist es (auch) Zweck des Betriebs des Kreditnehmers, ein anderes zum Organkreis gehörendes Unternehmen zu finanzieren; die Weiterleitung der Kreditmittel entspricht in diesem Fall dem betrieblichen Zweck des die Kreditmittel weiterleitenden Unternehmens. Gleiches gilt, wenn ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Kredite an das Betriebsunternehmen mit dem Zweck weiterreicht, das Betriebsunternehmen zu finanzieren. Ein eigener Zweck des das Darlehen weiterreichenden Unternehmens wird auch dann verfolgt, wenn sich die Anteile des Unternehmens, an das das Darlehen weitergereicht wird, im Betriebsvermögen des ersteren Unternehmens befinden und sich der Wert der Anteile durch die zweckentsprechende Verwendung des Darlehens erhöht. Schließlich wird ein eigener Zweck des Darlehensnehmers auch bereits dann verfolgt, wenn es seinen Geschäftszweck bildet, bestimmte Fremdinteressen zu fördern.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze lagen im Streitfall keine durchlaufenden Kredite vor, da die Kreditaufnahme zumindest auch im eigenen Interesse der Steuerpflichtigen erfolgte. Denn der betriebliche Zweck der Steuerpflichtigen bestand gerade darin, das Darlehen und den Betriebsmittelkredit aufzunehmen und an ihre Tochtergesellschaft weiterzureichen. Mit der Weiterreichung der Darlehen verfolgte die Steuerpflichtige damit nicht nur ein fremdes Interesse, sondern erfüllte zugleich ihren eigenen Geschäftszweck.

Zudem hielt die Steuerpflichtige 100 % der Anteile an ihrer Tochtergesellschaft, so dass mit der zweckentsprechenden Verwendung des Darlehens nicht nur das Betriebsvermögen der Tochtergesellschaft gemehrt, sondern auch der Wert der von der Steuerpflichtigen an der Tochtergesellschaft gehaltenen Anteile erhöht wurde.

Zu Recht war das FG auch davon ausgegangen, dass eine Saldierung der Zinsaufwendungen der Steuerpflichtigen mit den von der Tochtergesellschaft erhaltenen Zinserträgen ausscheidet. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG vorliegen, muss grundsätzlich jedes Schuldverhältnis für sich betrachtet werden. Die Zusam­menfassung mehrerer Schuldverhältnisse ist grundsätzlich nicht möglich  Dies gilt entsprechend für die Entgelte für Schulden, nämlich für die Gegenleistungen für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital. Dazu zählen in erster Linie die laufenden Zinsen i.S. des bürgerlichen Rechts. Danach ist grundsätzlich auch eine Saldierung von Schuld- und Habenzinsen ausgeschlossen; dies gilt selbst dann, wenn ein Guthaben- und ein Darlehenskonto in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, ohne einander nicht denkbar sind und die Darlehensmittel nur zweckgebunden verwendet werden dürfen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise tritt hinter die von den Vertragsparteien gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung zurück. Es kommt nicht darauf an, wie die Parteien ihre Beziehungen hätten gestalten können, entscheidend ist, wie sie sie gestaltet haben.

Ausnahmen von diesem Saldierungsverbot hat die Rechtsprechung nur hinsichtlich mehrerer bei einem Kreditgeber unterhaltener Konten und bei wechselseitig zwischen zwei Personen gegebenen Darlehen anerkannt, wenn die Darlehensverhältnisse gleichartig sind, derselben Zweckbestimmung dienen und regelmäßig tatsächlich miteinander verrechnet werden. Handelt es sich hingegen um Darlehensverhältnisse zwischen verschiedenen Vertragsparteien kommt eine Verrechnung der Zinsaufwendungen nur in Betracht, wenn mit der empfangenen Leistung eine unmittelbare Verringerung der Zinslast beabsichtigt ist.

Im Streitfall lag keiner dieser Ausnahmefälle vor. Weder handelte es sich um mehrere bei einem Kreditgeber unterhaltene Konten noch um wechselseitig zwischen zwei Personen gegebene Darlehen. Die Zinsen waren deshalb das Entgelt für das der Tochtergesellschaft zur Verfügung gestellte Kapital. Die Zinszahlungspflicht der Steuerpflichtigen war auch nicht ursächlich für die Zinszahlungspflicht der Tochtergesellschaft. Vielmehr hätte die Tochtergesellschaft auch dann Zinsen zahlen müssen, wenn ihr die Steuerpflichtige das für die Investition erforderliche Kapital nicht aus Fremd- sondern aus Eigenmitteln zur Verfügung gestellt hätte. Insofern würde die Anerkennung einer Saldierung auch dem Zweck des § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG zuwiderlaufen, der darin liegt, den Ertrag des im Betrieb arbeitenden Kapitals in vollem Umfang der Besteuerung nach dem Gewerbeertrag zu unterwerfen und im Wesentlichen eine Gleichstellung von Erträgen aus eigen- und fremdfinanziertem Kapital herbeizuführen.

BFH, Urteil vom 17.7.2019, III R 24/16, veröffentlicht am 24.10.2019.
Verlag Dr. Otto Schmidt