HmbSpVStG mit höherrangigem Recht vereinbar
KurzbesprechungHmbSpVStG § 1, § 4, § 12
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a Satz 1
AEUV Art. 56
MwStSystRL Art. 401
Richtlinie 2008/118/EG Art. 1 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b
Richtlinie 98/34/EG Art. 1 Nr. 11 dritter Gedankenstrich, Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1
SpielV § 12, § 13
Die Steuerpflichtige, eine GmbH, betreibt in Hamburg seit Oktober 2007 Spielhallen. Sie meldete für den Zeitraum von Oktober 2007 bis einschließlich Juli 2012 monatlich Spielvergnügungsteuern in Höhe von insgesamt 956.628,96 € beim FA an. Darin sind ganz überwiegend auf der Grundlage des Spieleinsatzes selbst ermittelte Steuern für den Betrieb von anfangs 48, zuletzt 24 Spielgeräten mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeit i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG enthalten.
Für die Monate Oktober 2007 bis einschließlich April 2008 meldete die Steuerpflichtige zudem die Steuer für zunächst zwei Unterhaltungsspielgeräte i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 2 HmbSpVStG (monatlich 160 €) und ab November 2007 nur noch für ein solches Gerät (monatlich 80 €) an. Das FA setzte die Steuer lediglich für den Monat November 2007 abweichend von der Anmeldung fest, wobei es zwei Unterhaltungsspielgeräte berücksichtigte. Einspruch, Klage und auch die nachfolgend eingelegte Revision blieben erfolglos.
Der BFH entschied, dass eine im zulässigen Schätzungsrahmen liegende Pauschalierung vorliegt, wenn die genannten, an sich der Besteuerung nicht unterliegenden Beträge in die Bemessungsgrundlage der Steuer einbezogen werden, weil die Spielgeräte sie nicht gesondert ausweisen. Objektiv unzutreffende Angaben zu den Spieleinsätzen als Grundlage für die Festsetzung der Spielvergnügungsteuer gehen zu Lasten des Aufstellers der Spielgeräte als Steuerschuldner. Denn es liegt allein in seiner Hand, Angaben zu den fehlerhaft aufgezeichneten Spieleinsätzen zu machen. Er kann sich insoweit nicht darauf berufen, die am Markt erhältlichen Spielgeräte sähen keine Aufzeichnungen für bestimmte Rückbuchungen, die zu einer Minderung des Spieleinsatzes und damit zu einer Minderung der Vergnügungsteuer führen würden, vor. Hinzu kommt, dass für Besteuerungszeiträume bis Ende 2010 die Besteuerungsgrundlagen nach der Übergangsregelung in § 12 HmbSpVStG unabhängig vom Spieleinsatz ermittelt werden konnten.
Die Besteuerung der Spielgeräte nach dem Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetz war in den Besteuerungszeiträumen Oktober 2007 bis einschließlich Juli 2012 auch sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Höhe verfassungsgemäß.
• Die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für das Hamburgische Spielvergnügungsteuergesetz ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Bei der Spielvergnügungsteuer handelt es sich dem Typus nach um eine örtliche Aufwandsteuer i.S. dieser Vorschrift. Die in § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit vorgesehene Heranziehung des Spieleinsatzes als Bemessungsgrundlage der Steuer ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
• Der in § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG für die Zeit nach dem 30.4.l 2006 bestimmte Steuersatz von 5 % des Spieleinsatzes ist mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 ggf. i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) vereinbar.
• Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt auch nicht deshalb vor, weil nach § 2 Nr. 1 HmbSpVStG der Aufwand, der der Spielbankabgabe unterliegt, von der Besteuerung ausgenommen ist. Die Fallgruppen des Benutzens von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit einerseits außerhalb von und andererseits innerhalb von Spielbanken sind nicht wesentlich gleich, so dass sie wegen des darin liegenden sachlichen Grundes vergnügungsteuerrechtlich unterschiedlich behandelt werden dürfen.
• Die Besteuerung der Unterhaltungsspielgeräte in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen i.S. von § 33i GewO nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG mit 80 € je Spielgerät und Kalendermonat ist ebenfalls verfassungsgemäß. Der Stückzahlmaßstab ist insoweit nach wie vor zulässig.
• Es liegt auch nicht deshalb ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor, weil der Steuersatz für Unterhaltungsspielgeräte, die an anderen Aufstellorten als in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen i.S. von § 33i GewO betrieben werden, gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 HmbSpVStG lediglich 50 € je Spielgerät und Kalendermonat beträgt. Der Gesetzgeber durfte pauschalierend annehmen, dass der Vergnügungsaufwand der Spieler bei solchen Geräten typischerweise geringer ist als bei Unterhaltungsspielgeräten in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen von i.S. § 33i GewO.
• Die Gesetzgebungskompetenz des Hamburgischen Gesetzgebers wird durch die unterschiedlichen Steuersätze für Unterhaltungsspielgeräte ebenfalls nicht ausgeschlossen; denn sie sind verfassungsrechtlich jedenfalls zulässig.
Die Besteuerung der Spielgeräte nach dem Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetz ist auch mit Unionsrecht vereinbar.
• Das Hamburgische Spielvergnügungsteuergesetz verstößt nicht gegen Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
• Die Spielvergnügungsteuer verstößt auch nicht gegen Art. 1 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Richtlinie 2008/118/EG). Nach dieser Richtlinienbestimmung können die Mitgliedstaaten Steuern erheben auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt. Die Richtlinie 2008/118/EG ist auf die Spielvergnügungsteuer nicht anwendbar. Sie betrifft nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur bestimmte verbrauchsteuerpflichtige Waren (Energieerzeugnisse und elektrischer Strom, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren) sowie nach ihrem Art. 1 Abs. 3 andere Waren sowie Dienstleistungen. Es liegt auch kein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV; früher Art. 49 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) vor.
• Mit Unionsrecht vereinbar ist auch die Bemessung der Spielvergnügungsteuer nach den Spieleinsätzen ohne Abzug der ausgezahlten Gewinne. Abgesehen davon, dass die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts, insbesondere der vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten, ausüben müssen, sieht das Unionsrecht keine Vorschriften für die Ausgestaltung einer Spielvergnügungsteuer im Einzelnen vor. Diese Steuer ist nicht harmonisiert. Die Rechtsprechung des EuGH zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten beruht auf der Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 MwStSystRL und hat für die Bemessungsgrundlage der Spielvergnügungsteuer keine Bedeutung.
• Eine Notifizierungspflicht nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG bestand nicht. Regelungen über die Erhebung einer Spielgerätesteuer sind keine "technischen De facto - Vorschriften" i.S. von Art. 1 Nr. 11 dritter Gedankenstrich der Richtlinie 98/34/EG. "Technische De - facto - Vorschriften" in diesem Sinne sind "technisch[e] Spezifikationen oder sonstig[e] Vorschriften oder ... Vorschriften betreffend Dienste, die mit steuerlichen oder finanziellen Maßnahmen verbunden sind, die auf den Verbrauch der Erzeugnisse oder die Inanspruchnahme der Dienste Einfluss haben, indem sie die Einhaltung dieser technischen Spezifikationen oder sonstigen Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste fördern". Dem Wortlaut dieser Bestimmung zufolge bezeichnet der Ausdruck "technische Defacto Vorschriften" nicht die steuerlichen Maßnahmen selbst, sondern die damit verbundenen technischen Spezifikationen oder sonstigen Vorschriften.
BFH, Urteil vom 21.2.2018, II R 21/15, veröffentlicht am 28.6.2018