Hohes Alter der Mieter schützt vor Eigenbedarfskündigung
LG Berlin v. 12.3.2019 - 67 S 345/18Bei den Beklagten handelt es sich um mittlerweile 87- bzw. 84-jährige Eheleute. Sie sind Mieter einer Wohnung der Klägerin. Diese hatten die Beklagten im Jahr 1997 1997 von den Rechtsvorgängern der Klägerin angemietet. Die Klägerin erklärte im Jahr 2015 die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.
Das AG hat die von der Klägerin erhobene Räumungsklage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin vor dem LG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Den Beklagten steht gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses zu.
Unerheblich ist, ob die von den Beklagten behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich derartig erheblich sind wie von der Vorinstanz angenommen. Die Beklagten konnten sich vielmehr berechtigt darauf berufen, dass der Verlust der Wohnung für Mieter hohen Alters eine sog. "Härte" i.S.d. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt. Die Vorschrift ist nämlich mit Blick auf den durch Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip verkörperten und garantierten Wert- und Achtungsanspruch alter Menschen entsprechend weit auszulegen. Ab welchem Alter sich Mieter auf den Härtegrund "hohen Alters" berufen können, muss nicht explizit festgestellt werden, denn das Lebensalter der bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung über 80-jährigen Beklagten ist nach sämtlichen in Betracht zu ziehenden Beurteilungsmaßstäben hoch.
Das als Härtegrund eingewandte hohe Alter der Mieter gebietet auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters bei nicht auf einer Pflichtverletzung des Mieters beruhenden Kündigungen durch den Vermieter in der Regel die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Eine Interessenabwägung zu Gunsten des Vermieters kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses geltend machen kann, die ein den Interessen des betagten Mieters zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse begründet.
Ein solches Erlangungsinteresse muss in seiner Bedeutung für den Vermieter über ein gewöhnliches "berechtigtes Interesse" zur Kündigung noch hinausgehen und an die Gründe heranreichen, die die Beendigung des Mietverhältnisses aus seiner Sicht berechtigterweise als geradezu notwendig erscheinen lassen. Ein entsprechend hohes Erlangungsinteresse kann die Klägerin im vorliegenden Fall aber nicht geltend machen, da die von ihr beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung zum einen nicht auf eine ganzjährige Nutzung und zum anderen auf bloßen Komfortzuwachs und die Vermeidung unerheblicher wirtschaftlicher Nachteile gerichtet ist.
Hintergrund:
Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision würde eine Beschwer von über 20.000 € erfordern. Ob dieser Wert vorliegend erreicht ist, müsste der BGH selbst entscheiden.