24.01.2013

Im Prozesskostenhilfeverfahren wird über zweifelhafte Rechtsfragen nicht vorweg entschieden

Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden. Bei zweifelhaften Rechtsfragen muss das Gericht somit Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe bewilligen, auch wenn es der Auffassung ist, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Antragstellers zu entscheiden ist.

BGH 12.12.2012, XII ZB 190/12
Der Sachverhalt:
Das AG hatte den von den Antragstellern gegen ihren Vater gestellten Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt zurückgewiesen. Der Beschluss ging ihnen am 5.4.2011 zu. Mit ihrem am 4.5.2011 beim AG eingegangenen Schriftsatz beantragten die Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde. Das AG leitete den Schriftsatz zusammen mit den Verfahrensakten am 5.5.2011 an das OLG weiter, wo sie am 9.5.2011 eingingen.

Das OLG wies das Verfahrenskostenhilfegesuch zurück. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragsteller hob der BGH den Beschluss wieder auf und wies die sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Den Antragstellern wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Rechtsbeschwerde war bereits deswegen begründet, weil das OLG die in der Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob das Verfahrenskostenhilfegesuch beim AG oder beim OLG einzureichen ist und ob gegebenenfalls eine Wiedereinsetzung in Betracht kommt, nicht in das Verfahrenskostenhilfeverfahren verlagern durfte. Denn wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären ist, darf nach ständiger BVerfG- sowie BGH-Rechtsprechung die Klärung der Frage nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren (Verfahrenskostenhilfeverfahren) verlagert werden.

Die in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit gebietet im Fall zweifelhafter Rechtsfragen, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes. Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden. Bei zweifelhaften Rechtsfragen hat das Gericht demnach Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, auch wenn es der Auffassung ist, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Antragstellers zu entscheiden ist.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück