16.09.2016

Im Vorjahr produziertes Fahrzeug kann noch als Neufahrzeug gelten

Ein im Jahre 2011 produzierter Mercedes CL 500 kann vor Ablauf der Jahresfrist im Jahre 2012 noch als Neufahrzeug zu verkaufen sein. Ein Fahrzeug ist insoweit fabrikneu, wenn es aus neuen Materialien zusammengesetzt und unbenutzt ist, wenn und solange das Modell unverändert weitergebaut wird, wenn das verkaufte Fahrzeug keine durch längere Standzeiten bedingten Mängel aufweist, nach der Herstellung keine Beschädigungen eingetreten sind sowie wenn zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen.

OLG Hamm 16.8.2016, 28 U 140/15
Der Sachverhalt:
Als Ersatz für ein Unfallfahrzeug erwarb die Klägerin mittels einer Ende September 2012 unterzeichneten Bestellung - über die erstbeklagte Vertragshändlerin für Fahrzeuge der Marke Mercedes - von der zweitbeklagten Herstellerin aus Stuttgart einen Mercedes CL 500 als Neufahrzeug. Das erworbene Fahrzeug war bereits Ende September 2011 produziert worden. Ohne Berücksichtigung eines auf das Unfallfahrzeug entfallenden Restwertes zahlte die Klägerin einen Kaufpreis i.H.v. rd. 105.000 € für das bestellte Neufahrzeug. Dieses übernahm sie - in Kenntnis des Produktionsjahres - im Oktober 2012.

Ende 2012/Anfang 2013 verlangte die Klägerin von den Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der Begründung, dass das bereits im September 2011 produzierte Fahrzeug beim Verkauf über ein Jahr alt und deswegen kein Neufahrzeug mehr gewesen sei. Zudem habe es vor dem Verkauf schon länger bei der beklagten Vertragshändlerin auf Halde gestanden und sei von dieser auch auf Straßenausstellungen als Vorführwagen benutzt worden. Deswegen habe es bei der Übergabe eine Laufleistung von schon 86 km aufgewiesen.

Nachdem die Beklagten die Neulieferung eines Mercedes CL 500 und auch Rückabwicklung des Kaufvertrages abgelehnt hatten, verlangte die Klägerin von den Beklagten - unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils für gefahrene Kilometer - im Klagewege die Rückzahlung des Kaufpreises und die Herausgabe ihres verunfallten Fahrzeugs gegen Rückgabe des gekauften Mercedes.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des streitigen Kaufvertrages zu. Es kann nicht festgestellt werden, dass der als Neufahrzeug verkaufte Mercedes bei der Übergabe an die Klägerin mangelhaft war.

Dass die Klägerin ein erst im Jahre 2012 hergestelltes Fahrzeug kaufen wollte, ist von den Parteien so nicht ausdrücklich vereinbart worden. Ihre diesbezügliche Behauptung konnte die Klägerin nicht nachweisen. Gegen die Annahme, der Abschluss des Kaufvertrages habe mit dem Produktionsjahr 2012 "stehen und fallen" sollen, spricht im Übrigen dafür, dass die Klägerin an dem Vertrag festgehalten hat, nachdem sie Anfang Oktober 2012 erfahren hatte, dass ihr gekauftes Fahrzeug bereits im Jahre 2011 hergestellt worden war. Den Kaufvertrag hat sie dann - nach Gewährung eines weiteren Nachlasses von 3.000 € - vollzogen.

Der Mercedes durfte der Klägerin auch als Neufahrzeug verkauft werden. Nach der Rechtsprechung ist ein Fahrzeug fabrikneu, wenn es aus neuen Materialien zusammengesetzt und unbenutzt ist, wenn und solange das Modell unverändert weitergebaut wird, wenn das verkaufte Fahrzeug keine durch längere Standzeiten bedingten Mängel aufweist, nach der Herstellung keine Beschädigungen eingetreten sind sowie wenn zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen.

Dass diese Voraussetzungen beim streitgegenständlichen Mercedes nicht erfüllt waren, konnte die insoweit beweisbelastete Klägerin nicht nachweisen. Sie hat insbesondere nicht substantiiert dargetan und nicht unter Beweis gestellt, dass das Fahrzeug nur noch ein bis Mitte 2012 produziertes "Auslaufmodell" war. Ebenso ist nicht bewiesen, dass das Fahrzeug bei der Übergabe bereits benutzt gewesen ist, weil es zuvor bei Ausstellungen als Probefahrzeug gedient hat.

Den Nachweis dafür, dass das Fahrzeug bei der Übergabe bereits 86 km gelaufen ist, hat die Klägerin ebenfalls nicht erbracht. In dem bei der Übergabe unterzeichneten "Torpass" hat die Klägerin die Laufleistung nicht beanstandet. Schließlich war das Fahrzeug beim Erwerb durch die Klägerin auch nicht älter als zwölf Monate. Es ist am 30.9.2011 produziert, von der Klägerin dann am 27.9.2012 bestellt worden, wobei die beklagte Herstellerin die Bestellung am 28.9.2012 akzeptiert hat, so dass der Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt und damit vor Ablauf der Jahresfrist zustande gekommen ist.

OLG Hamm PM vom 16.9.2016
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