24.06.2016

Immobilienkäufer müssen nur einem der Verkäufer Arglist nachweisen

Verschweigt einer von mehreren Verkäufern einen Mangel der Kaufsache arglistig, können sich sämtliche Verkäufer gem. § 444 Alt. 1 BGB nicht auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen. Im Ergebnis muss eine Verkäufermehrheit im Innenverhältnis dafür Sorge tragen, dass die im Verhältnis zu dem Käufer bestehenden Offenbarungspflichten erfüllt werden, um insgesamt von dem Ausschluss der Sachmangelhaftung profitieren zu können.

BGH 8.4.2016, V ZR 150/15
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten im Juni 2009 mit notariellem Kaufvertrag von den Beklagten, die zu dieser Zeit die Scheidung ihrer Ehe betrieben, unter Ausschluss der Sachmängelhaftung ein mit einem Wohnhaus bebautes Hanggrundstück erworben. Die Vertragsverhandlungen einschließlich der Besichtigungen hatte die Beklagte zu 2) durchgeführt. Für den Beklagten zu 1), der sich zu dieser Zeit in stationärer psychiatrischer Behandlung befand, handelte ein vollmachtloser Vertreter.

Die an der seitlichen Grundstücksgrenze befindliche Winkelstützmauer, die der Sicherung des Erdreichs dient, war zuvor vom Beklagten zu 1) in Eigenleistung errichtet worden. Sie weist nicht die erforderliche Standsicherheit auf und muss saniert werden. Die Beklagte zu 2) wusste beim Verkauf davon. Infolgedessen verlangten die Kläger von beiden Beklagten Schadensersatz u.a. wegen der schadhaften Mauer i.H.v. insgesamt 49.546 €.

Das LG verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 19.992 €. Das OLG erhöhte die Zahlungsverpflichtung des Beklagten zu 1) um weitere 4.643 €. Mit der vom OLG nur hinsichtlich der Beklagten zu 2) zugelassenen Revision wollten die Kläger erreichen, dass auch die Beklagte zu 2) in der Hauptsache zur Zahlung von insgesamt 24.635 € verurteilt wird. Der BGH verurteilte die Beklagte zu 2) unter Zurückweisung ihrer Berufung dazu, an die Kläger über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 4.643 € zu zahlen, wobei die Beklagten auch insoweit als Gesamtschuldner anzusehen waren.

Die Gründe:
Die Beklagte zu 2) ist den Klägern gem. § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 Abs. 1 u. 3, § 281 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, da die nicht standsichere Mauer einen Sachmangel darstellt. Das auf die Lieferung der mangelhaften Sache bezogene Verschulden konnte gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet werden. Diese Vermutung war nicht entkräftet. Die Beklagte zu 2) hatte Hinweise auf einen solchen Mangel und handelte daher jedenfalls fahrlässig, indem sie das Anwesen ohne weitere Nachforschungen übergab.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes konnte sich die Beklagte zu 2) nicht auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen. Allerdings war es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beklagte zu 2) nicht als arglistig i.S.v. § 444 Alt. 1 BGB angesehen hatte. Das Berufungsgericht war einer in der Rechtsliteratur verbreiteten Ansicht gefolgt, wonach dem nicht arglistig handelnden Verkäufer die Berufung auf den Haftungsausschluss nur dann verwehrt ist, wenn er sich das arglistige Handeln seines Mitverkäufers gem. § 166 BGB zurechnen lassen muss. Die Gegenauffassung überträgt hingegen die Rechtsprechung zu § 476 BGB a.F. auf das neue Recht, indem allen Verkäufern die Berufung auf den Haftungsausschluss verwehrt wird. Der zuletzt genannten Ansicht folgt auch der Senat.

Verschweigt einer von mehreren Verkäufern einen Mangel der Kaufsache arglistig, können sich sämtliche Verkäufer gem. § 444 Alt. 1 BGB nicht auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen. Maßgeblich für die Frage, ob sich der nicht arglistig handelnde Verkäufer auf den Haftungsausschluss berufen darf, ist allein die Auslegung von § 444 Alt. 1 BGB. Der Wortlaut der Norm ist insoweit nicht eindeutig, als die Arglist nicht mehr zur Nichtigkeit, sondern dazu führt, dass der Verkäufer sich auf den Haftungsausschluss nicht berufen kann. Dies lässt sich so verstehen, dass § 444 Alt. 1 BGB bei einer Verkäufermehrheit jeweils ein individuelles Fehlverhalten voraussetzt, die Arglist also bei jedem einzelnen Verkäufer vorliegen muss. Da die Bestimmung aber nicht regelt, wie eine Mehrzahl von Verkäufern zu behandeln ist, lässt sich ihr Wortlaut auch so deuten, dass der "Verkäuferseite" die Berufung auf den Haftungsausschluss verwehrt ist.

Für das zuletzt genannte Verständnis von § 444 Alt. 1 BGB spricht entscheidend, dass die Rechte des Käufers andernfalls in erheblichem Maße beschränkt würden. Dafür, dass der Reformgesetzgeber die Rechtsposition des Käufers solchermaßen verschlechtern wollte, indem er die Nichtigkeitsfolge nicht in das neue Recht übernahm, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Im Ergebnis muss eine Verkäufermehrheit im Innenverhältnis dafür Sorge tragen, dass die im Verhältnis zu dem Käufer bestehenden Offenbarungspflichten erfüllt werden, um insgesamt von dem Ausschluss der Sachmangelhaftung profitieren zu können. Andernfalls erweist sich die Freizeichnung aus Sicht des Käufers als unredlich; hiervor soll § 444 BGB den Käufer schützen.

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