20.06.2016

Kein Anspruch des Ehemanns auf Herausgabe befruchteter Eizellen der verstorbenen Ehefrau

Sieht ein "Vertrag über die Kryokonservierung und nachfolgende Behandlung von Eizellen im 2-PN-Stadium sowie deren Verwahrung" ausdrücklich nur eine Herausgabe an beide Ehepartner vor, kann der Vertrag nicht einseitig nachträglich dahingehend abgeändert werden, dass dem Ehemann nach dem Tod seiner Ehefrau ein alleiniger Herausgabeanspruch zusteht. Der menschliche Embryo - wie auch der Körper eines geborenen Menschen - stellen keinen Gegenstand dar, an dem Eigentum begründet werden kann.

OLG Karlsruhe 17.6.2016, 14 U 165/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger hat von der beklagten Klinik die Herausgabe befruchteter eingefrorener Eizellen im sog. 2-PN-Stadium (Vorkernstadium) seiner verstorbenen Ehefrau verlangt. Für den Fall, dass der Befruchtungsvorgang abgeschlossen und Embryonen entstanden seien, hat der Kläger deren Herausgabe begehrt. Grund dafür war die Erfüllung des Kinderwunsches mit seiner zwischenzeitlichen Ehefrau. Dies entspreche nach Aussage des Klägers auch dem erklärten Willen seiner verstorbenen Ehefrau. Anlass für die Kryokonservierung der Eizellen war eine schwere Erkrankung der früheren Ehefrau des Klägers, die etwa eineinhalb Jahre später an ihrer Krankheit verstarb.

Gemäß dem "Vertrag über die Kryokonservierung und nachfolgende Behandlung von Eizellen im 2-PN-Stadium sowie deren Verwahrung" sollte eine Herausgabe der Eizellen nur an das Ehepaar gemeinsam erfolgen. In einer gesonderten Erklärung, die der Kläger und seine verstorbene Ehefrau unterzeichneten, hieß es, dass eine Aufbewahrung eingefrorener Eizellen im Vorkernstadium über den Tod eines Partners hinaus nicht möglich ist. Embryonen, deren geplanter Transfer nicht stattfinden kann, sind nach Anrufen der Ethikkommission einzufrieren. Sollte ein Paar verstorben sein bzw. anderweitige Komplikationen auftreten, kann ein verbindliches Votum der Ärztekammer über weitere Maßnahmen bestimmen.

Die Beklagte verweigerte die Herausgabe. Sie war der Ansicht, der mit dem Kläger und seiner verstorbenen Ehefrau abgeschlossene Vertrag sehe vor, dass nach dem Tod eines Ehepartners eine Herausgabe an den Überlebenden nicht stattfinde. Auch stünden Verbotsnormen des Embryonenschutzgesetzes der Herausgabe entgegen.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers blieb vor dem OLG erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger hat im Hinblick auf den mit der Klinik geschlossenen Vertrag keinen Anspruch auf Herausgabe der Eizellen im Vorkernstadium.

Der Vertrag sieht ausdrücklich nur eine Herausgabe an beide Ehepartner vor, was nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr möglich ist. Auch wenn die Herausgabe dem erklärten Willen der verstorbenen Ehefrau entsprochen hat, kann der Vertrag nicht einseitig nachträglich abgeändert werden. Einer solchen nachträglichen Abänderung steht schließlich das berechtigte Interesse der beklagten Klinik entgegen, dem Risiko zu begegnen, sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Embryonenschutzgesetz strafbar zu machen. Auch ein Eigentumsanspruch des Klägers schied aus, da er nicht Eigentümer der Eizellen im Vorkernstadium ist und die vertragliche Vereinbarung mit der Klinik einer Herausgabe entgegensteht.

Soweit der Kläger hilfsweise die Herausgabe von Embryonen geltend gemacht hatte, bedurfte die Frage keiner Klärung, da selbst wenn Embryonen vorgelegen haben sollten, nach der vom Kläger und seiner früheren Ehefrau unterzeichneten Erklärung ein Votum der Ärztekammer über weitere Maßnahmen einzuholen wäre. Eigentumsansprüche des Klägers scheiterten bereits daran, dass der menschliche Embryo - wie auch der Körper eines geborenen Menschen - kein Gegenstand darstellt, an dem Eigentum begründet werden kann.

OLG Karlsruhe PM vom 17.6.2016
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