12.02.2019

Kein gutgläubiger Erwerb eines abhanden gekommenen Wohnmobils

Das OLG Hamm hat sich mit der Frage des gutgläubigen Erwerbs eines Wohnmobils befasst, das zuvor seinem rechtmäßigen Eigentümer nach der Probefahrt eines potenziellen Kaufinteressenten abhanden gekommen war. Der Erwerber konnte (nach dem anzuwendenden niederländischen Recht) nicht gutgläubig erwerben, da er wegen verschiedener Auffälligkeiten bei der Anbahnung und Durchführung des Kaufvertrages guten Grund hatte, an der Berechtigung der vermeintlichen Verkäuferin zu zweifeln.

OLG Hamm v. 12.7.2018 - 5 U 99/16
Der Sachverhalt:

Der Kläger kaufte im Jahr 2013 ein Wohnmobil für 35.000 €. Er bot es einige Zeit später über eBay-Kleinanzeigen zum Verkauf an. Am 9.5.2015 überließ er es einem Kaufinteressenten für eine Probefahrt von sechs Tagen. Der Fahrzeugschein befand sich im Wohnmobil. Zur Absicherung teilte der Kaufinteressent dem Kläger seine Mobilfunknummer mit und gab ihm eine Sicherheit von 500 € in bar sowie seinen Führerschein, den der Kläger kopierte. Der Kaufinteressent brachte das Wohnmobil jedoch nicht zurück und war für den Kläger telefonisch auch nicht erreichbar. Daraufhin erstattete der Kläger Strafanzeige und erfuhr, dass es sich bei dem vorgelegten Führerschein um eine Fälschung handelte.

Zwischenzeitlich wurde das Wohnmobil für rd. 25.000 € bei mobile.de angeboten; ohne Angabe eines konkreten Namens wurden ein Privatanbieter in Herzogenrath und eine Mobilfunknummer genannt. Auf die Anzeige meldete sich der Beklagte, der (auch) als Kfz-Sachverständiger tätig ist. Er vereinbarte einen Besichtigungstermin am 15.5.2015 in Kerkrade/Niederlande, zu dem eine Frau mit dem Wohnmobil erschien. Der Beklagte sah sich das Wohnmobil an und entschied sich zum Kauf. Noch vor Ort füllte er handschriftlich einen Kaufvertrag aus.

Als Verkäuferin war eine angeblich in Euskirchen wohnhafte Lena Horn genannt. Auf deren Namen lauteten auch die dem Beklagten überreichten - gefälschten - Zulassungsbescheinigungen Teil I und II. Die angegebenen Daten der Erstzulassung und für die nächste HU stimmten nicht mit den vorherigen Angaben in der Anzeige bei mobile.de überein. Der Beklagte erhielt nur einen einzigen Fahrzeugschlüssel und fuhr anschließend davon. Später an diesem Tag stellte der Beklagte, der wegen der Umstände des Vertragsschlusses bereits ein schlechtes Gefühl hatte, fest, dass die TÜV-Plakette nicht echt war. Er erstattete Strafanzeige. Nachdem der Kläger hiervon erfahren hatte, nahm er den Beklagten auf Herausgabe des Wohnmobils in Anspruch.

Das LG wies die Klage ab. Der Beklagte habe das Wohnmobil gutgläubig erworben. Dem Kläger sei es nicht abhanden gekommen, was einen gutgläubigen Erwerb ausgeschlossen hätte. Denn dieser habe dem Kaufinteressenten im Mai 2015 freiwillig den Besitz an dem Wohnmobil für sechs Tage überlassen. Der Beklagte hätte zwar mit Blick auf die konkrete Verkaufssituation Nachforschungen anstellen müssen, was er unterlassen habe. Allerdings habe der Kläger in einem solch hohen Maße gegen jegliche ihm obliegenden Verpflichtungen verstoßen, dass die dem Beklagten anzulastenden Sorgfaltsverstöße dahinter zurücktreten würden. Deshalb sei sein Herausgabeverlangen im Verhältnis zu dem Beklagten unzulässig. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe des Wohnmobils.

Der Kläger hat das Eigentum an dem Wohnmobil nicht durch Übereignung an den Beklagten verloren. Nach dem mit Blick auf den Ort des Erwerbs anzuwendenden niederländischen Recht war der Beklagte nicht gutgläubig. Er hatte wegen der verschiedenen Auffälligkeiten bei der Anbahnung und Durchführung des Kaufvertrages guten Grund, an der Berechtigung der vermeintlichen Verkäuferin Lena Horn zu zweifeln. Hier fällt zunächst auf, dass das Erstzulassungsdatum in den Papieren nicht mit den Angaben in der Internetanzeige übereinstimmte. Das mag mit einem Versehen erklärt werden können, aber die in den Papieren eingetragene Erstzulassung passte auch nicht zum eingetragenen nächsten HU-Termin, der im Fahrzeugschein mit 6/2015 angegeben war.

Bei einer Erstzulassung im April 2012 hätte das Wohnmobil im April 2015 zur Hauptuntersuchung vorgestellt werden müssen; zum Zeitpunkt des Verkaufs im Mai 2015 wäre die HU schon abgelaufen gewesen - was aber nach der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I nicht der Fall war. Die Eintragung des Termins für die erste HU erfolgt zusammen mit dem Zulassungsdatum beim Straßenverkehrsamt, weshalb die Eintragung kaum mit einem Schreibfehler der Behörde zu erklären ist; es handelt sich - bereits für einen aufmerksamen Laien, umso mehr für einen Kfz.-Sachverständigen wie den Beklagten - um einen Widerspruch, der bereits auf eine Fälschung hinweist. Von erheblicher Bedeutung ist auch der Umstand, dass dem Beklagten weder ein Ersatzfahrzeugschlüssel noch eine Chipkarte und ein Scheckheft bzw. Garantieheft übergeben worden sind.

Der Beklagte hat kein Recht zum Besitz an dem Fahrzeug, und die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs durch den Kläger stellt entgegen der Ansicht des LG keine unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 242 BGB dar. Richtig ist zwar, dass auch im Sachenrecht das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung gilt, aber nur im Hinblick auf sachenrechtliche Sonderverbindungen und nicht auch dann, wenn - wie hier - die Zuordnungsfunktion des Sachenrechts betroffen ist. Vorliegend hat das LG daher in unzulässiger Weise über § 242 BGB in die dingliche Eigentumszuordnung eingegriffen, denn die Verneinung des Herausgabeanspruchs liefe wirtschaftlich auf eine Enteignung hinaus.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 31.1.2018