Kein Kindergeldanspruch bei Bezug von Arbeitslosengeld II und Erwerbstätigkeit des anderen Elternteils im EU-Ausland
KurzbesprechungEStG §§ 62ff
VO Nr. 83/2004
Im Streitfall wohnte die Steuerpflichtige mit ihrer minderjährigen Tochter seit Juli 2013 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie erhielt Grundsicherungsleistungen in Form des Arbeitslosengeldes II. Der Kindsvater wohnte in Frankreich und war dort erwerbstätig. Er erhielt eine dem Kindergeld vergleichbare höhere französische Familienleistung.
Vor diesem Hintergrund hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes auf. Nach erfolgreichem Klageverfahren hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Er entschied, dass die positive Entscheidung, mit der die zuständige französische Behörde einen Kindergeldanspruch nach ihrem Recht bejaht hat, für die Familienkasse bindend ist, soweit die Auslegung von Unionsrecht nicht betroffen ist. Die Familienkasse und das FG sind daher nicht befugt, die Richtigkeit dieser positiven ausländischen Entscheidung zu überprüfen und selbst das ausländische Recht festzustellen und anzuwenden.
Der BFH stellte weiterhin klar, dass das Arbeitslosengeld II als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende nach dem SGB II keine Leistung bei Arbeitslosigkeit im Sinne der europarechtlichen Bestimmung ist (Art. 11 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. c der VO Nr. 883/2004). Denn das Arbeitslosengeld II hat keine an einen bisherigen Verdienst anknüpfende Entgeltersatzfunktion. Der Empfänger von Arbeitslosengeld II erhält seine Leistung nicht aufgrund oder infolge seiner vorherigen Beschäftigung. Vielmehr reichen als Anspruchsvoraussetzungen die Anforderungen des § 7 Abs. 1 SGB II (Altersgrenze, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland). Das Arbeitslosengeld II ist daher eine beitragsunabhängige Geldleistung i.S. des Art. 70 der VO Nr. 883/2004.
Für den Streitfall bedeutete dies, dass der Anspruch des erwerbstätigen Kindsvaters nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 vorrangig war und Deutschland als nachrangiger Staat nicht verpflichtet war, Kindergeld zu zahlen.
BFH, Urteil vom 26.7.2017, III R 18/16, veröffentlicht am 25.10.2017.