Kein Kindergeldanspruch wegen Zweitausbildung durch zeitliche Zäsur
KurzbesprechungEStG §§ 32, 62, 63
Der Anspruchsberechtigte ist der Vater einer im September 1990 geborenen Tochter (T), für die er bis einschließlich Juni 2013 Kindergeld erhielt. T absolvierte nach ihrem Abitur eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, die sie am 21.6. 2013 abschloss. Anschließend nahm sie eine Vollzeitbeschäftigung in ihrem Ausbildungsbetrieb auf. Am 19.9. 2013 meldete sich T bei einer Fachschule für Wirtschaft der Fachrichtung Betriebswirtschaft (Schwerpunkt Steuern) in Teilzeitform an. Sie bekam eine Zusage für das Schuljahr 2014/2015. Zum 1.4. 2014 wechselte T in eine andere Steuerberatungskanzlei und arbeitete dort zunächst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, die sie ab September 2014 auf 36 Stunden reduzierte. Am 20.8. 2014 nahm sie ihre Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft auf.
Die Familienkasse lehnte es ab, für T ab Juli 2013 Kindergeld zu gewähren, mit der Begründung, T habe sich bereits in einer Zweitausbildung befunden und sei einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Sowohl das Klage - als auch nachfolgend das Revisionsverfahren blieben ohne Erfolg.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Im Streitfall erfüllte T nur im Zeitraum September 2013 bis September 2015 die Voraussetzungen eines kindergeldrechtlichen Berücksichtigungstatbestandes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG. Sie konnte im Zeitraum September 2013 bis August 2014 eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) und befand sich von August 2014 bis September 2015 in Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).
Die im Zeitraum Juli 2013 bis September 2015 ausgeübte Tätigkeit ist keine i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, da lediglich eine Beschäftigung ohne überwiegenden Ausbildungscharakter vorlag. Eine Berücksichtigung wegen einer Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG kam für den Zeitraum Juli 2013 bis August 2014 wegen Überschreiten der Höchstdauer von vier Monaten nicht in Betracht. Für den Zeitraum Juli 2013 bis August 2013 lagen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ebenfalls nicht vor, da für diesen Zeitraum keine Bemühungen der T um einen Ausbildungsplatz vorlagen.
Die im Streitzeitraum von August 2014 bis September 2015 durchgeführte Fachschulausbildung erfüllte dagegen ohne weiteres die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Außerdem erfüllte T mit der Anmeldung im September 2013 bis August 2014 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG. Gleichwohl kam eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nicht in Betracht, da T bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte und während der Zeiträume, in denen sie auf den Antritt der Ausbildung bei der Fachschule gewartet und in denen sie die Ausbildung an der Fachschule durchgeführt hat, einer schädlichen Erwerbstätigkeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nachgegangen war.
Im Streitfall stellte die Ausbildung zur Steuerfachangestellten bereits eine abgeschlossene erstmalige Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar. Denn T hatte weder im Anschluss an die Beendigung der Ausbildung zur Steuerfachangestellten mit der Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft begonnen noch hatte sie sich für eine bereits im Jahr 2013 beginnende Ausbildung beworben. Schulorganisatorische oder andere objektive Gründe, die einer Aufnahme der Ausbildung im August 2013 statt erst im August 2014 entgegengestanden hätten, lagen ebenfalls nicht vor.
Vielmehr hatte T ihren ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss genutzt, um mit diesem im Rahmen einer regulären Erwerbstätigkeit ohne Ausbildungscharakter Einkünfte zu erzielen. Diese Erwerbstätigkeit erfolgte auch nicht nur in einem Überbrückungszeitraum zwischen dem Ende der Steuerfachangestelltenausbildung und dem nächstmöglichen Beginn der Fachschulausbildung und bildete somit eine zeitliche Zäsur zwischen zwei hierdurch verselbständigten Ausbildungen.
Auch war die von T ausgeübte Erwerbstätigkeit anspruchsschädlich. Denn die in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG vorgesehene 20-Stunden-Grenze wurde überschritten, da die wöchentliche Arbeitszeit der T zunächst 40 und ab September 2014 36 Stunden betrug. Mangels festgestellter Ausbildungsinhalte lag auch kein Ausbildungsdienstverhältnis vor. Ebenso fehlte es an den Voraussetzungen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses i.S. der §§ 8 und 8a SGB IV.
BFH, Urteil vom 11.4.2018, III R 18/17, veröffentlicht am 6.6.2018