04.08.2016

Kein Recht auf Eintragung eines Intersexuellen im Geburtenregister als "inter" oder "divers"

Das Personenstandsgesetz lässt eine Eintragung wie "inter" oder "divers" als Angabe des Geschlechts eines Intersexuellen im Geburtenregister nicht zu. Die Frage, ob die früher bestehende Notwendigkeit, entweder als männlich oder als weiblich im Geburtenregister eingetragen zu werden, Intersexuelle in ihren Grundrechten verletzt, stellt sich seit der Änderung des Personenstandsrechts zum 1.11.2013 nicht mehr.

BGH 22.6.2016, XII ZB 52/15
Der Sachverhalt:
Die antragstellende Person hatte die Änderung ihres Geburtseintrags dahingehend begehrt, dass ihr Geschlecht als "inter" oder "divers" angegeben wird. Zur Begründung legte die 1989 geborene und als Mädchen in das Geburtenregister eingetragene Betroffene eine Chromosomenanalyse vor, wonach sie über einen numerisch auffälligen Chromosomensatz mit einem X-Chromosom und einem fehlenden zweiten Gonosom verfügt. Sie sei weder Frau noch Mann.

AG und OLG wiesen den Antrag zurück. Auch die zugelassene Rechtsbeschwerde vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Eine Änderung der Eintragung im Geburtenregister in "inter" bzw. "divers" ist nach geltendem Recht nicht möglich. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der § 21 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 22 Abs. 3 PStG.

Es ist auch keine verfassungskonforme Auslegung der Norm i.S.d. Begehrens der antragstellenden Person geboten. Denn Eintragungen in Personenstandsregistern haben lediglich eine dienende Funktion; sie enthalten Angaben, die insbesondere nach den Regeln des Familienrechts grundlegende Bedeutung für die persönliche Rechtsstellung besitzen. Das Familienrecht geht von einem binären Geschlechtersystem aus (Mann oder Frau). Der Gesetzgeber hat zwar mit der Neuregelung des § 22 Abs. 3 PStG für intersexuelle Menschen, die sich den bekannten Geschlechtern nicht zuordnen lassen, die Möglichkeit geschaffen, von einer Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister abzusehen. Er hat damit jedoch kein weiteres Geschlecht geschaffen.

Es besteht auch keine Veranlassung, die Sache dem BVerfG vorzulegen. Denn die Frage, ob die früher bestehende Notwendigkeit, entweder als männlich oder als weiblich im Geburtenregister eingetragen zu werden, Intersexuelle in ihren Grundrechten verletzt, stellt sich nicht mehr. Schließlich kann die Betroffene seit der Änderung des Personenstandsrechts zum 1.11.2013 erreichen, dass die Angabe des Geschlechts ("Mädchen") nachträglich aus dem Geburtenregister gelöscht wird, was von ihr aber ersichtlich nicht gewünscht wird.

Letztlich macht es für die Betroffene im Ergebnis keinen - verfassungsrechtlich bedeutsamen - Unterschied, ob ein geschlechtszuordnender Eintrag unterbleibt oder - wie von ihr begehrt - ein Eintrag erfolgt, der keinem bestehenden "Geschlecht" zugeordnet werden kann, also rein deklaratorischer Natur ist. Denn die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, der Situation der intersexuellen Menschen durch eine Änderung des Familienrechts Rechnung zu tragen, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, da es der Betroffenen allein um die Eintragung ihres Geschlechts als "inter" oder "divers" im Geburtenregister geht. Somit musste nicht entschieden werden, ob sich die BVerfG-Rechtsprechung zur Transsexualität auf Fälle der Intersexualität übertragen lässt. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass anders als bei der Zuordnung zu einem schon bestehenden Geschlecht (wie im Fall der Transsexualität) durch die Schaffung eines weiteren Geschlechts staatliche Ordnungsinteressen in weitaus erheblicherem Umfang betroffen wären.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 133 vom 4.8.2016
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