04.02.2015

Kein Rechtsmissbrauch bei Kündigung wegen eines bei Abschluss des Mietvertrags noch nicht erwogenen Eigenbedarfs

Ein Vermieter bringt dadurch, dass er dem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließen kann. Würde vom Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrags eine solche - sich nach einer verbreiteten Auffassung auf bis zu fünf Jahre erstreckende - Lebensplanung verlangt werden, würde dessen verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit missachtet werden.

BGH 4.2.2015, VIII ZR 154/14
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte im April 2011 eine Zweizimmerwohnung des Klägers in Mannheim unbefristeten angemietet. Ende Februar 2013 kündigte der Kläger das Mietverhältnis schriftlich wegen Eigenbedarfs zum 31.5.2013. Er führte an, seine 20 Jahre alte Tochter, die nach ihrem im Juni 2012 abgelegten Abitur ein Jahr in Australien verbracht habe, werde am 18. Juli 2013 nach Deutschland zurückkehren, danach eine Arbeitsstelle in Frankfurt/Main antreten und ein berufsbegleitendes Studium in Mannheim aufnehmen. Sie wolle nach ihrer Rückkehr eine eigene abgeschlossene Wohnung beziehen. Vor ihrem Auslandsaufenthalt habe sie ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt. Die Beklagte widersprach der Kündigung, weil der Eigenbedarf für den Kläger bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei.

Das AG gab der Räumungsklage statt; das LG wies sie ab. Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Eigenbedarfskündigung sei jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens reiche es bereits aus, wenn - wie hier - bei Vertragsschluss hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Mietverhältnis nur von kurzer Dauer sein werde. Auch wenn sich die Tochter des Klägers bei Abschluss des Mietvertrags noch keine konkreten Vorstellungen über einen Auszug aus dem elterlichen Heim gemacht habe, hätte der Kläger bei verständiger Betrachtung den Eigenbedarf voraussehen können und müssen.

Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die vom Kläger auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gestützte Kündigung war nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Zwar liegt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein widersprüchliches rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, wenn der Vermieter Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf in diesen Fällen dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.

An einem Rechtsmissbrauch fehlt es hingegen, wenn das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs für den Vermieter zwar im Rahmen einer - von Teilen der Instanzenrechtsprechung erforderlich gehaltenen - "Bedarfsvorschau" erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber bei Mietvertragsabschluss weder entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen hat. Denn bei verständiger und objektiver Betrachtung bringt ein Vermieter dadurch, dass er dem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse (etwa Heranwachsen von Kindern, drohende Trennung von Familienangehörigen, Erkrankung, berufliche Veränderungen) macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließen kann.

Würde vom Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrags eine solche - sich nach einer verbreiteten Auffassung auf bis zu fünf Jahre erstreckende - Lebensplanung verlangt werden, würde dessen verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit missachtet werden, über die Verwendung seines Eigentums innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei zu bestimmen. Für die - in erster Linie dem Tatrichter obliegende - Beurteilung, ob der Vermieter entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen oder ein solches Vorgehen ernsthaft in Betracht gezogen hat, darf allerdings nicht allein auf seine Darstellung abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf eine Würdigung der Gesamtumstände an. Dabei kann auch auf objektive (äußere) Umstände zurückgegriffen werden, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Kenntnisstand des Vermieters bilden.

Die Feststellung, dass den Vermieter keine Verpflichtung zu einer "Bedarfsvorschau" trifft, stellt den Mieter auch nicht schutzlos. Denn will er das Risiko künftiger Entwicklungen nicht auf sich nehmen, kann er für einen gewissen Zeitraum einen beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder einen einseitigen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung vereinbaren.

Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zu dem - von der Beklagten bestrittenen - Vorliegen einer Eigenbedarfssituation und zu den von ihr geltend gemachten Härtegründen gem. § 574 BGB getroffen werden können.

Linkhinweise:


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BGH PM Nr. 16 vom 4.2.2015
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