07.11.2013

Kein Schadensersatz: Radfahrerin muss Auto vor Kreisverkehr passieren lassen

Hat ein Radfahrer auf einem neben einem Kreisverkehr geführten Radweg das Verkehrszeichen "Vorfahrt gewähren" zu beachten, wenn er eine Zufahrtsstraße zum Kreisverkehr queren will, so ist er gegenüber den Pkw, die über die Zufahrtsstraße in den Kreisverkehr einfahren wollen, wartepflichtig. Dies gilt selbst auch dann, wenn die Autofahrer vor dem Radweg und dem Erreichen des Kreisverkehrs selbst das Zeichen "Vorfahrt gewähren" in Kombination mit dem Zeichen "Kreisverkehr" passieren müssen.

OLG Hamm 17.7.2013, 9 U 200/11
Der Sachverhalt:
Die damals 67-jährige Klägerin erlitt im Juni 2008 einen Verkehrsunfall, als sie mit ihrem Elektrofahrrad auf dem neben der Kreisfahrbahn geführten Radweg am Kreisverkehr der Ramsdorfer Straße die Einmündung der Straße "Brink" querte. Sie stieß im Einmündungsbereich mit dem Fahrzeug der Beklagten zusammen, die von der Straße "Brink" kommend in den Kreisverkehr einfahren wollte.

Vor dem Queren der Straße "Brink" haben Radfahrer das Verkehrszeichen "Vorfahrt gewähren" (Zeichen 205/klein StVO) zu beachten. Die in den Kreisverkehr einfahrenden Autofahrer passieren vor dem Radweg und dem Kreisverkehr ebenfalls das Zeichen "Vorfahrt gewähren" in Kombination mit dem Zeichen "Kreisverkehr" (Zeichen 215 StVO).

Die Klägerin macht mit ihrer Klage gegenüber der Beklagten Schadensersatz geltend, u.a. ein Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 €. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe ihr Vorfahrtsrecht verletzt. Sie habe sie vor der Einfahrt in den Kreisverkehr passieren lassen müssen.

Das OLG wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Die Klägerin trifft ein erhebliches Eigenverschulden am Unfall, das eine Mithaftung der Beklagten ausschließt. Die Beklagte hat kein Vorfahrtsrecht verletzt. Aufgrund der von ihr zu passierenden Verkehrszeichen war sie lediglich gegenüber dem auf der eigentlichen Kreisbahn befindlichen Verkehr wartepflichtig und nicht auch gegenüber Radfahrern, die den neben der Kreisbahn befindlichen Radweg benutzten.

Demgegenüber musste die Klägerin der Beklagten Vorfahrt gewähren, denn die Wartepflicht für Radfahrer gilt dort nicht nur gegenüber Fahrzeugen, die vom Kreisverkehr in die Zufahrtsstraße abbiegen, sondern auch gegenüber den Fahrzeugen, die über die Zufahrtsstraße in den Kreisverkehr einfahren wollen. Nur wenn man die vorhandene Beschilderung dieser Bedeutungen entsprechend versteht, ergibt sie einen Sinn.

Hinzu kommt vorliegend, dass die Klägerin über einen abgesenkten Bordstein vom Radweg auf die Fahrbahn der Straße gefahren ist. Gem. StVO hat sich derjenige, der über einen abgesenkten Bordstein auf eine Fahrbahn einfährt, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Daraus folgt, dass ihm insoweit auch kein Vorfahrtsrecht zustehen kann. Ihm Übrigen fehlen auf der Fahrbahn der Zufahrtsstraße Markierungen für einen querenden Radweg, was ebenfalls ein Anhaltspunkt dafür ist, dass ein querender Radfahrer wartepflichtig ist.

OLG Hamm PM vom 6.11.2013
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