12.08.2011

Kein Sicherheitsrisiko: Kündigung wegen Eheschließung mit chinesischer Staatsangehörigen sittenwidrig

Eine Kündigung verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wenn sie wegen der Eheschließung des Arbeitnehmers mit einer in China lebenden chinesischen Staatsangehörigen ausgesprochen wurde. Sie hält nicht das notwendige "ethische Minimum" ein und ist sittenwidrig, wenn der Arbeitgeber jahrelang die Beziehung nicht als sicherheitsrelevant einordnet, den Leiharbeitnehmer dann in Kenntnis der Hochzeit abwirbt und ihm kurz darauf kündigt, obwohl sich nichts verändert hat.

LAG Schleswig-Holstein 22.6.2011, 3 Sa 95/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Ingenieur und war seit Mai 2006 als Leiharbeitnehmer bei der beklagten Arbeitgeberin, die u.a. auch die Bundeswehr beliefert, eingesetzt. Seit 2007 fuhr der Kläger regelmäßig nach China zu seiner dort lebenden heutigen Ehefrau, die chinesische Staatsangehörige ist. Vorher kontaktierte er jedes Mal die Sicherheitsbeauftragte, die zu keinem Zeitpunkt Bedenken äußerte. Ende 2009 bot die Arbeitgeberin ihm eine direkte Festanstellung an. Angesichts der für Dezember 2009 in China geplanten Hochzeit einigte man sich auf den Beginn der Festanstellung ab Februar 2010.

Schon am 5.3.2010 stellte die Beklagte den Kläger unvermittelt frei. Zur Begründung führte sie aus, er sei durch seine Ehefrau und die familiären Beziehungen zu China ein Sicherheitsrisiko. Kurz danach nahm die Beklagte eine Neueinstellung als Ersatz für den Kläger vor. Dem Betriebsrat gelang es in der Folgezeit nicht, die Freistellung rückgängig zu machen und die Kündigung zu verhindern. Im Juni, rechtzeitig bevor das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kam die Kündigung, gegenüber dem Betriebsrat nunmehr gestützt auf "betriebsbedingte Gründe".

Das ArbG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Arbeitgeberin habe subjektiv an Befürchtungen einer möglichen Industriespionage angeknüpft. Das reiche als Rechtfertigung für die Kündigung aus. Auf die Berufung des Klägers hob das LAG das Urteil auf und gab der Klage statt. Das Arbeitsverhältnis wurde auf Antrag des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung von sieben Monatsgehältern aufgelöst. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Kündigung ist treu- und sittenwidrig.

Die Beklagte hat unter Verletzung des Grundrechtes der Eheschließungsfreiheit ihr Kündigungsrecht für eine willkürliche Vorgehensweise missbraucht. Weil sie den Kläger in Kenntnis der familiären Bedingungen gezielt abgeworben und sich in Bezug auf seinen Arbeitsplatz und seine Tätigkeit nichts geändert hat, ist die plötzliche Einordnung als Sicherheitsrisiko, für die keine konkreten Fakten genannt wurden, willkürlich.

Der Kläger wurde nur durch eine andere Arbeitskraft ausgetauscht. Der Kündigungsentschluss bestand schon bei der Freistellung, was der Betriebsrat auch bestätigt hat. Der angeführte betriebsbedingte Kündigungsgrund ist daher nur vorgeschoben. Die Kündigung verstößt gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden". Die Beklagte hat den Kläger willkürlich zu ihrem Spielball gemacht.

LAG Schleswig-Holstein PM vom11.8.2011
Zurück