01.08.2014

Kein Sonderkündigungsschutz für Bewerber für den Wahlvorstand - Geschäftsschädigende Videos auf Facebook und YouTube

Auch vor einer geplanten Betriebsratswahl darf ein Arbeitnehmer zwar nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über die Verhältnisse im Betrieb aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen. Sachliche Kritik ist aber erlaubt, wobei es für die Abgrenzung auf Inhalt und Kontext der Äußerungen ankommt. Dies gilt auch für "Wahlbewerber" i.S.d. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG, zu denen allerdings ein Arbeitnehmer nicht zählt, der lediglich für das Amt eines Wahlvorstands kandidiert.

BAG 31.7.2014, 2 AZR 505/13
Der Sachverhalt:
Der 1984 geborene Kläger war seit dem 9.11.2010 als Produktionsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt, die u.a. Verpackungen aus Wellpappe herstellt.

Auf Einladung der Gewerkschaft ver.di fand am 10.2.2012 eine Betriebsversammlung statt, auf der die Beschäftigten einen Vorstand für eine Betriebsratswahl wählen sollten. Der Kläger kandidierte dafür. Die Versammlung nahm einen unübersichtlichen Verlauf und beide Prozessparteien waren sich einig, dass der Kläger nicht wirksam gewählt worden war.

Zwei Wochen nach der Wahl stellte ver.di beim Arbeitsgericht den Antrag, einen Wahlvorstand zu bestellen. Dabei schlug sie den Kläger erneut als ein Mitglied vor. An einem der folgenden Tage äußerte sich der Kläger in einem von ver.di produzierten Video. Er sagte, im Betrieb gebe es "Probleme" mit Arbeits-, Urlaubs- und Pausenzeiten. An einzelnen Maschinen fehle es an Sicherheitsvorkehrungen. "Ich möchte fast behaupten, dass keine Maschine zu 100 % ausgerüstet ist. Das Problem ist, dass keine Fachkräfte vorhanden sind und dass das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 % erfüllt wird", sagte der Kläger in dem Video, das ab dem 22.2.2012 im Internet, u.a. bei YouTube, zu sehen war und das der Kläger über Facebook verbreitete.

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.3.2012 fristlos.

Während Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hatten, befand das BAG die außerordentliche Kündigung für unwirksam, gab der Revision statt und verwies den Rechtsstreit zur Prüfung einer bereits am 17.2.2012 erfolgten ordentlichen Kündigung aus einem anderem Grund an das LAG zurück.

Die Gründe:
Ein Arbeitnehmer, der für das Amt des Wahlvorstands für eine geplante Betriebsratswahl kandidiert, ist kein "Wahlbewerber" i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Somit bedarf eine Kündigung nicht der Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 1 BetrVG bzw. einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung. Das ergibt die Auslegung der einschlägigen Vorschriften.

Daher ist die außerordentliche Kündigung zwar nicht mangels gerichtlicher Zustimmung, aber mangels wichtigen Grundes unwirksam. Die Erklärungen in dem Video sind erkennbar darauf gerichtet, zu verdeutlichen, weshalb der Kläger es als sinnvoll ansah, einen Betriebsrat zu bilden. Der Kläger wollte nicht behaupten, die Beklagte beschäftige überwiegend ungelernte Arbeitskräfte.

Linkhinweis:

Die Pressemitteilung des BAG vom 31.7.2014 finden Sie hier.

BAG PM Nr. 38/14 v. 31.7.2014