22.03.2019

Kein Vorrang des Kreuzungsräumers im Straßenverkehr

Bei einer ampelgeregelten Kreuzung existiert kein Vorrang des Kreuzungsräumers. Bei einem Kreuzungsräumer handelt es sich um einen Fahrer, dem es bei der Überquerung der Kreuzung etwa aufgrund vieler Fußgänger nicht gelungen ist, diese bei Grün zu passieren und nach dem Wegfall des zum Halt zwingenden Grundes weiterfährt, um die Kreuzung wieder frei zu machen.

KG Berlin v. 31.1.2019 - 22 U 211/16

Der Sachverhalt:
Der Kläger bog an einer ampelgeregelten Kreuzung mit seinem Auto links ab. Die ihm entgegenkommende Beklagte bog mit ihrem Fahrzeug rechts ab. Es kam zur Kollision, wobei das Fahrzeug der Beklagten an der Front und das Fahrzeug des Klägers hinten rechts beschädigt wurden. Der Kläger fuhr nach seinen Angaben los, als seine Linksabbieger-Ampel grün wurde, und die Ampelphase der Beklagten ging gerade vorüber. Viele Fahrräder verzögerten nach ihren Angaben die Fahrt.

Der Linksabbieger klagte nun auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das LG wies die Klage ab. Das KG gab der Klage statt und ließ die Revision nicht zu.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs und ein Schmerzensgeld zu. Die Beklagte verschuldete den Unfall alleine und hat daher den Schaden des Klägers in voller Höhe zu tragen.

Der Beklagten gelang es nicht nachzuweisen, dass der Kläger bei für ihn noch roter Ampel losfuhr und damit auch nicht, dass der Kläger ein (Mit-) Verschulden an dem Unfall trägt. Zwar kommt dem (Geradeausfahrenden bzw.) Rechtabbiegenden der Anscheinsbeweis zugute, der Linksabbieger habe seine Sorgfaltspflicht nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO verletzt. Dem geht allerdings die Regelung durch Lichtzeichen gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 StVO vor.

Der Kläger hat auch nicht gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht gem. § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, da er grundsätzlich als Bevorrechtigte auf seine Vorfahrt vertrauen darf, solange er sich seinen Vorrang nicht erzwingen will. Ein solches Erzwingen ist hier nicht ersichtlich.

Es existiert kein Vorrang des Kreuzungsräumers. Vielmehr darf sich der Bevorrechtigte seinen Vorrang zwar nicht erzwingen, verliert den Vorrang aber nicht. Der Kreuzungsräumer hat zwar einen Anspruch auf einen Verzicht gegenüber dem Bevorrechtigten, muss sich darüber aber gem. § 11 Abs. 3 StVO zuvor mit eindeutigem Ergebnis verständigen. Unklar ist, ob die Beklagte überhaupt Kreuzungsräumer war. Selbst für den Fall, dass sie Kreuzungsräumer war, hatte sie sich nicht mit dem Kläger über einen Vorrang ihrerseits verständigt. Zudem ergibt die Anstoßkonstellation, dass es nicht wirklich schwierig gewesen wäre, den Kläger herannahen zu sehen und auf sein Fahrzeug angemessen zu reagieren.

 

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