07.12.2018

Keine einschränkende Auslegung des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG

Die zum Zeitpunkt des Erlasses eines Feststellungsbescheids über das steuerliche Einlagekonto fehlende Steuerbescheinigung über die Ausschüttung aus einer Kapitalrücklage führt nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG zu einer Verwendungsfestschreibung auf Null €; die Norm ist keiner einschränkenden Auslegung zugänglich.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 11.7. 2018 - I R 30/16

KStG § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3

Nach § 27 Abs. 3 KStG hat eine Kapitalgesellschaft im Falle von Abgängen aus dem steuerlichen Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG nach amtlichem Muster ihrem Anteilseigner als Adressat der Erklärung namentlich und unter Angabe seiner Wohnanschrift die Höhe sowie den Zahlungstag der Leistungen, die das steuerliche Einlagekonto gemindert haben, zu bescheinigen. Wird dem nicht oder nur unzutreffend genügt, unterscheidet § 27 Abs. 5 KStG danach, ob die Kürzung des Einlagebetrags überhöht, zu niedrig oder - wie im entschiedenen Streitfall - gar nicht bescheinigt worden ist.

In ersterem Falle eröffnet § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG zwar die Möglichkeit, die Steuerbescheinigung zu berichtigen; erweist sich dies jedoch beispielsweise mit Rücksicht auf die Verhältnisse bei Publikumsgesellschaften als nicht praxistauglich, sieht § 27 Abs. 3 Satz 4 KStG eine verschuldensunabhängige Haftung der Kapitalgesellschaft für die (aufgrund der überhöht bescheinigten Minderung des Einlagekontos) zu Unrecht nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer mit der Folge vor, dass auch im Falle der Haftungsinanspruchnahme die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos anzupassen ist (§ 27 Abs. 3 Satz 6 KStG).

Wird der Abgang aus dem Einlagekonto zu niedrig bescheinigt, schreibt § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG die Verwendung der Eigenkapitalteile gemäß der Bescheinigung fest, so dass diese zugleich der Feststellung des Einlagekontos zugrunde zu legen ist; eine Berichtigung der Bescheinigung ist nach § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG ausgeschlossen. Ergänzend hierzu gilt nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG für den (im Streitfall einschlägigen) Fall, dass bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung nach § 27 Abs. 2 KStG keine Steuerbescheinigung gemäß § 27 Abs. 3 KStG erteilt worden ist, der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit Null € bescheinigt. Auch in diesem Fall ist nach § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG eine Korrektur der Steuerbescheinigung (nämlich in Form ihrer erstmaligen Erteilung) ausgeschlossen.

Da die Steuerpflichtige im Streitfall bis zum Tag der Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung des Einlagekontos zum 31.12. 2010 keine Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG erteilt hatte, war nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG von einer Minderung des Einlagekontos aufgrund der Ausschüttungen des Jahres 2010 um Null € auszugehen und die hiermit verbundene Verwendungsfiktion (Gewinnausschüttung) der Feststellung des Einlagekontos zum Ende des Jahres 2010 zugrunde zu legen. Von dieser Rechtsfolge kann angesichts des eindeutigen Normwortlauts nicht im Wege der teleologischen Reduktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG abgesehen werden. Denn mit der Neufassung des § 27 Abs. 5 KStG hat der Gesetzgeber insoweit eindeutig seinen Willen zu erkennen gegeben, dass die Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitig oder gar nicht erteilten Steuerbescheinigung die materiell-rechtliche Berechnung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG überlagern sollen. Eine spätere Änderung der zunächst erteilten oder nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG fingierten Bescheinigung nach § 129 AO kommt nicht in Betracht, weil § 27 Abs. 5 Satz 2 und 3 KStG sowohl tatbestandlich als auch mit Rücksicht auf ihre Rechtsfolgen eindeutig gefasst sind.

Gegen die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung des § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG bestehen nach Auffassung des BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe auch bereits BFH v. 11.2. 2015 - I R 3/14, BStBl II 2015, 816).

BFH, Urteil vom 11.7.2018, I R 30/16, veröffentlicht am 5.12.2018.

Verlag Dr. Otto Schmidt