24.05.2018

Keine Kapitalertragsteuer auf Rücklagen bei Regiebetrieben

Gemeinden dürfen bei ihren Regiebetrieben Rücklagen bilden, die bis zu ihrer Auflösung die Kapitalertragsteuer mindern (gegen BMF-Schreiben v. 9.1.2015 - IV C 2 -S 2706- a/13/10001, BStBl I 2015, 111).

Kurzbesprechung
BFH v. 30.1.2018 - VIII R 42/15
BFH v. 30.1.2018 - VIII R 75/13
BFH v. 30.1.2018 - VIII R 15/16

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b
EStG § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c,
EStG § 43a Abs. 1 Nr. 6, § 44 Abs. 1 und 6
EStG § 52 Abs. 37a Satz 2
KStG § 4, § 27 Abs. 1 und Abs. 7

Im Streitfall VIII R 42/15 hatte die klagende Stadt (Steuerpflichtige) die handelsrechtlichen Jahresüberschüsse ihres Betriebs gewerblicher Art (BgA) Schwimmbäder, der als Regiebetrieb geführt wurde, in den Jahren 2005 und 2006 als Gewinnvortrag ausgewiesen. Die Gewinne stammten maßgeblich aus Dividendeneinnahmen, die zwar auf das Bankkonto der Steuerpflichtigen flossen, aber vom BgA in einem verzinsten Verrechnungskonto erfasst waren.

Die Steuerpflichtige vertrat die Auffassung, dass insoweit keine der Kapitalertragsteuer unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlagen. Denn § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG erfasst nur den nicht den Rücklagen zugeführten Gewinn eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit.

Das FA sah dies jedoch - gestützt auf das BMF-Schreiben v. 9.1.2015 - IV C 2 -S 2706- a/13/10001, BStBl I 2015, 111 - anders, erkannte die Gewinnvorträge nicht als Rücklage i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG an und forderte Kapitalertragsteuer nach. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies auch das FG die eingelegte Klage ab.

Der BFH hob dagegen das FG- Urteil und die angegriffenen Nachforderungsbescheide auf und entschied, dass Regiebetriebe eine Rücklage bilden dürfen, auch wenn ihre Gewinne -abweichend zu Eigenbetrieben- unmittelbar in den Haushalt der Trägerkörperschaft fließen. Denn das Gesetz sieht keine Differenzierung zwischen Eigen- und Regiebetrieben vor und die Ausschüttungsbesteuerung der BgA hat ohnehin nur fiktiven Charakter.

Der BFH stellte klar, dass es für die von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben v. 9.1. 2015 - IV C 2 -S 2706- a/13/10001, BStBl I 2015, 111 vertretene Rechtsauffassung, wonach im Gegensatz zu Eigenbetrieben bei Regiebetrieben eine Rücklagenbildung nur zulässig sein soll, wenn die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nicht erfüllt werden können, keine gesetzliche Grundlage gibt.

Darüber hinaus kommt es auch nicht auf eine haushaltsrechtliche Mittelreservierung an. Für die steuerliche Anerkennung reicht vielmehr jedes "Stehen lassen" der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital aus, sofern anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Liquiditätsabflüssen an die Trägerkörperschaft, sind die für Kapitalgesellschaften und deren Alleingesellschafter entwickelten Grundsätze über verdeckte Gewinnausschüttungen entsprechend anwendbar.

Die Entscheidung ist für die öffentliche Hand im Rahmen des Wettbewerbs ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten mit privatwirtschaftlichen Unternehmen von großer praktischer Bedeutung.

Darüber hinaus hat der BFH in zwei weiteren Entscheidungen zum Kapitalertragsteuerabzug bei BgA über die Frage entschieden, wie bei der Bildung von Rücklagen zu verfahren ist. Mit der Entscheidung VIII R 75/13 hat der BFH klargestellt, dass bei dem Regiebetrieb einer kommunalen Gebietskörperschaft die Gewinne des Jahres 2001 auch dann steuerfrei bleiben, wenn sie zunächst in die Rücklagen eingestellt, dann aber in einem späteren Veranlagungszeitraum wieder aufgelöst werden. Diese nur für die Gewinne des Jahres 2001 geltende Steuerfreiheit folge aus der Formulierung der zeitlichen Anwendungsregelung bei Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchs. b EStG.

Im Streitfall VIII R 15/16 entschied der BFH, dass die für Regiebetriebe kommunaler Gebietskörperschaften entwickelten Grundsätze zur Bildung von Rücklagen auch bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft Anwendung finden.

Beraterhinweis: Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung der Rechtsauffassung des BFH folgen und die Urteile auch über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden wird. Denn es ist nicht ausgeschlossen und wäre auch nicht das erste Mal, dass in einem solchen Fall der Gesetzgeber tätig wird und das Gesetz an die von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung "anpasst".

BFH, Urteil vom 30.1.2018, VIII R 42/15, veröffentlicht am 23.5.2018
BFH, Urteil vom 30.1.2018, VIII R 15/16, veröffentlicht am 23.5.2018
BFH, Urteil vom 30.1.2018, VIII R 75/13, veröffentlicht am 23.5.2018

Verlag Dr. Otto Schmidt