26.02.2013

Keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bei falsch beantworteten Gesundheitsfragen

Ein Versicherungsnehmer kann keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruchen, wenn er den Versicherungsgeber bei der Beantwortung der vor Vertragsschluss gestellten Gesundheitsfragen arglistig getäuscht hat. Arglistig täuscht derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebotes zu beeinflussen.

OLG Karlsruhe 5.2.2013, 12 U 140/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist von Beruf Bauschlosser und Lagerarbeiter. Er beantragte im Januar 2001 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Auf die Gesundheitsfrage im Antragsformular, ob er in den letzten zehn Jahren an Krankheiten, gesundheitlichen Störungen oder Beschwerden gelitten habe oder leide, antwortete er mit "Nein". Auf die Frage nach Arztbesuchen gab er für den Januar 2001 "Angina" und den Namen des Arztes an; auf die Frage nach Arzneimitteln in den letzten zwölf Monaten die Einnahme eines Antibiotikums über vier Tage.

Tatsächlich war der Kläger in dem nachgefragten Zeitraum mehrmals arbeitsunfähig: 1994 vier Tage wegen Schulterbeschwerden und eines Überlastungssyndroms und drei Tage wegen Konjunktivitis; 1996 13 Tage wegen einer Hämorrhoidalthrombose; 1997 insgesamt acht Tage wegen Lumbago, 1998 34 Tage wegen einer Analthrombose mit einer Öffnung und einem ambulanten Schnitt, 1999 26 Tage wegen einer Perianalvenenthrombose mit späterer Perforation, eines Perianalekzems und Hämorrhoiden. Die Berufsunfähigkeitsversicherung wurde antragsgemäß policiert.

2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit unter Hinweis auf "Rückenprobleme (Bandscheibe)". Bei ihren Erkundigungen erfuhr die Beklagte von den Erkrankungen des Klägers vor Antragstellung und der Arbeitsunfähigkeit und erklärte deshalb die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, dass die Anfechtung nicht wirksam sei; er habe sich nicht mehr an die zur Arbeitsunfähigkeit führenden Vorerkrankungen erinnert, außerdem sei ihm nicht klar gewesen, dass diese hätten angegeben werden müssen. Rückenschmerzen würden von medizinischen Laien nicht als Krankheiten angesehen.

Das LG wies die auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente von rd. 900 € mtl. gerichtete Klage ab; der Kläger habe die Berufsunfähigkeitsversicherung mittels eines Betruges erlangt. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger kann keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruchen, weil die Anfechtung der Beklagten wirksam war.

Von einem arglistigen Verhalten ist bereits dann auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Arglist erfasst nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss

Arglistig täuscht damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebotes zu beeinflussen. Das Verschweigen von Umständen, deren Gefahrerheblichkeit auch aus Sicht des Versicherungsnehmers auf der Hand liegt, also das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen, rechtfertigt grundsätzlich die Annahme einer Täuschung. Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände, auch Untersuchungen, stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Schweigen daher auf Arglist schließen lässt. Gleiches gilt auch, wenn länger zurückliegende, nicht aber aktuelle Krankheiten angegeben werden.

Vorliegend hat der Kläger die Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet. Er hatte über die offenbarte Angina hinaus im nachgefragten Zeitraum Beschwerden in weiteren Bereichen und ist deswegen auch behandelt worden. Hinsichtlich der Bindehautentzündung, die fast sieben Jahre zurücklag, erscheint die Einlassung des Klägers, dass er diese für unerheblich gehalten habe, noch verständlich. Für die Schulter- und Rückenbeschwerden ist ein Grund für die Nichtangabe nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Kläger mag die Beschwerden für sich genommen nicht für sehr bedeutsam und für eine Folge berufsbedingter Überlastung angesehen haben; bei mehrfachem Auftreten hätte sich ihm aber die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass derartig überlastungsbedingte Beschwerden für den Versicherer erheblich sind.

Für seine Arglist spricht aber in erster Linie, dass der Kläger die Thromboseerkrankungen verschwiegen hat, bei denen zweimal eine längere Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist und die bei Antragstellung noch nicht sehr lange zurücklagen. Nachvollziehbare Gründe für das Verschweigen hat der Kläger nicht genannt. Die Beklagte hätte bei Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände den Versicherungsantrag nicht angenommen.

OLG Karlsruhe PM vom 22.2.2013
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