10.07.2012

Keine Streupflicht bei nur vereinzelten Glättestellen auf einem Grundstück

Sind im Bereich eines Grundstücks nur vereinzelte Glättestellen ohne erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr vorhanden, ist nicht von einer allgemeinen Glättebildung auszugehen. Das Vorhandensein solcher vereinzelter Glättestellen reicht für die Annahme einer Räum- und Streupflicht auf dem Weg zum Haus nicht aus.

BGH 12.6.2012, VI ZR 138/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz aufgrund eines Glatteisunfalls. Sie suchte am Sonntag, dem 23. Dezember 2007, gegen 10.00 Uhr im Auftrag ihrer Arbeitgeberin, eines Pflegedienstunternehmens, das Grundstück der Beklagten, einer Kundin, auf, um ihr eine Weihnachtsgrußkarte zukommen zu lassen. Von der Straße aus führt ein etwa zwei Meter breiter Weg auf dem Grundstück zum Hauseingang, den die Klägerin benutzte, um die Karte in den Briefkasten einzuwerfen. Als sie in Richtung ihres Fahrzeugs zurückging, kam sie auf dem Weg zu Fall.

Die Klägerin behauptet, sie sei auf dem zum Grundstück der Beklagten gehörenden, unstreitig nicht gestreuten Weg auf einer Eisfläche, die ein Ausmaß von etwa 20 x 30 cm gehabt und sich mittig auf dem Weg nahe der Grundstücksgrenze befunden habe, ausgerutscht und deshalb gestürzt. Weder auf dem Hinweg zum Hauseingang der Beklagten noch auf dem Rückweg habe sie diese Eisfläche bemerken können.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Auffassung des OLG, dass eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Räum- bzw. Streupflicht nicht festgestellt werden könne, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung muss der Verletzte alle Umstände beweisen, aus denen eine Streupflicht erwächst und sich eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht ergibt. Grundvoraussetzung für die Räum- und Streupflicht auf Straßen oder Wegen ist das Vorliegen einer allgemeinen Glätte und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen. Ist eine Streupflicht gegeben, richten sich Inhalt und Umfang nach den Umständen des Einzelfalls.

Die Räum- und Streupflicht besteht nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Im Streitfall ist eine allgemeine Glätte im Bereich des Grundstücks der Beklagten nicht dargelegt. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin lagen im Bereich des Grundstücks keine erkennbaren Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr vor, die eine Streupflicht der Beklagten hätte begründen können.

Nach dem Vortrag der Klägerin ist sie auf einer Eisfläche gestürzt, die ein Ausmaß von etwa 20 x 30 cm gehabt hat. Sie hatte i.Ü. weder auf der Straße noch auf dem Weg weitere vereiste Stellen bemerkt. Dann ist aber nicht von einer allgemeinen Glättebildung auszugehen, sondern nur vom Vorhandensein vereinzelter Glättestellen. Dies reicht für die Annahme einer Räum- und Streupflicht auf dem Weg zum Haus der Beklagten nicht aus.

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