08.08.2019

Klagebefugnis bei Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4 EStG sowie Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells i.S. von § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG

Hinsichtlich des an eine Personengesellschaft gerichteten, mit dem Gewinnfeststellungsbescheid verbundenen Verlustfeststellungsbescheids nach § 15b Abs. 4 EStG sind neben der Gesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch deren Gesellschafter, für die nicht ausgleichsfähige Verluste festgestellt worden sind, nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt. Klagt nur die Personengesellschaft gegen den Verlustfeststellungsbescheid, sind die betroffenen Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO notwendig beizuladen. Ein Steuerstundungsmodell i.S. von § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG kann auch vorliegen, wenn die prognostizierten Verluste auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden (degressive AfA, Sonderabschreibungen) beruhen. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15b EStG steht nicht im Widerspruch zu vom Gesetzgeber geschaffenen Lenkungsmaßnahmen.

Kurzbesprechung
BFH v. 6.6.2019 - IV R 7/16

EStG § 15b, § 52 Abs. 33a Satz 1
FGO § 48 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 5, § 60 Abs. 3


Im Streitfall war die Gesellschaf in Bezug auf die streitige Feststellung des verrechenbaren Verlustes für die Streitjahre gemäß § 15b Abs. 4 EStG i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, da die Feststellung des verrechenbaren Verlustes mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der Gesellschaft verbunden war. Danach erfolgte auch die Verlustfeststellung gesondert und einheitlich (§ 15b Abs. 4 Satz 5 Halbsatz 2 EStG), so dass § 48 FGO eingreift. Insoweit gilt nichts anderes als für die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG.

Ebenso wie die Verlustverwertungsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 15a Abs. 4 Sätze 1 und 5 EStG ist jedoch auch die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 15b Abs. 1 EStG im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 15b Abs. 4 Sätze 1 und 5 EStG eine Frage, die i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO die Gesellschafter der betreffenden Personengesellschaft persönlich angeht. Da die Klage von der Gesellschaft in Bezug auf alle an den Verlusten beteiligten Gesellschafter erhoben worden war, waren diese sämtlich notwendig beizuladen. Die im Streitfall unterbliebene notwendige Beiladung stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar. Die Vorschriften über die notwendige Beiladung regeln eine unverzichtbare Sachentscheidungsvoraussetzung, die vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Im Streitfall entschied der BFH, die notwendige Beiladung nicht selbst nachzuholen, sondern verwies den Streitfall insoweit an die Vorinstanz zurück, da die betroffenen Gesellschafter der Gesellschaft bisher weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren die Möglichkeit hatten, sich zu den angegriffenen Feststellungsbescheiden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Außerdem konnte der BFH mangels hinreichender Feststellungen des FG nicht überprüfen, inwieweit § 15b EStG nach Maßgabe der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 33a EStG (heute § 52 Abs. 25 EStG) --anleger- bzw. gesellschafterbezogen-- im Streitfall (zeitlich) überhaupt anwendbar ist. Nur soweit § 15b EStG im Streitfall anwendbar ist, kommt es jedoch auf die zwischen den Beteiligten erörterten Rechtsfragen an.

Soweit aufgrund der noch zu treffenden Feststellungen § 15b EStG nach Maßgabe des § 52 Abs. 33a EStG im Streitfall zur Anwendung gelangt, weist der BFH für den zweiten Rechtsgang auf Folgendes hin:

Nachdem die Anwendungsregelung zu § 15b EStG anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen ist, ist für jeden der noch beizuladenden Kommanditisten der Gesellschaft zu entscheiden, ob die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 15b Abs. 1 EStG in seiner Person (zeitlich) Anwendung findet. Die anlegerbezogene Betrachtung ist bei einer Personengesellschaft als sog. Fondskonstruktion aber auch auf die Frage bezogen, ob im konkreten Fall die Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell i.S. des § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG einzuordnen ist. Da auch der Sonderbetriebsvermögensbereich des jeweiligen Gesellschafters in die Würdigung einzubeziehen ist, kann das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells nur in Bezug auf den einzelnen Anleger (Gesellschafter) und dessen Anteil an den gemeinsam erzielten Einkünften entschieden und folglich nicht für alle Anleger einheitlich beantwortet werden.

Ist die Anwendbarkeit des § 15b EStG für einen (einzelnen) Gesellschafter einer Personengesellschaft als sog. Fondskonstruktion zum Zeitpunkt des Beitritts zu bejahen, so gilt dies nicht nur im ersten Jahr der Beteiligung, sondern auch für ihm in der Folgezeit aus seiner Beteiligung zugerechnete Verluste. Gleiches gilt aber grundsätzlich - d.h. ohne nachträgliche Änderung des Modellkonzepts - auch für die Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells. Zwar handelt es sich bei den von der jährlichen gesonderten Feststellung nach § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG umfassten Einzelelementen, darunter auch die Einordnung der Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell, nicht um jeweils verfahrensrechtlich abgrenzbare eigenständige Feststellungen wie bei gesonderten und einheitlichen Feststellungen gemäß §§ 179 ff. AO, die in einem Bescheid verbunden werden können. Diese können folglich auch nicht selbständig in Bestandskraft erwachsen. Liegen indes im ersten Jahr der Beteiligung die Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG vor, so gilt dies denklogisch grundsätzlich auch für die Folgezeit der Beteiligung des einzelnen Anlegers. Die gesetzliche Definition des Begriffs des Steuerstundungsmodells (§ 15b Abs. 2 EStG) schließt es aus, ohne nachträgliche Änderung des Modellkonzepts für die Dauer der Beteiligung an einer sog. Fondskonstruktion für einzelne Jahre zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen.

Was unter einem Steuerstundungsmodell zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber in § 15b Abs. 2 EStG geregelt. Ein Steuerstundungsmodell i.S. des § 15b Abs. 1 EStG liegt danach vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15b Abs. 2 Satz 3 EStG). Ob in der Sache ein Steuerstundungsmodell gegeben ist, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln.

BFH, Urteil vom 6.6.2019, IV R 7/16, veröffentlicht am 8.8.2019.
 
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