08.05.2017

Können Mieter die Zustimmung zur Mieterhöhung widerrufen?

Zwei Kammern des LG Berlin mussten sich zu der Frage äußern, ob die Vorschriften des Verbraucherschutzes zugunsten des Mieters im Hinblick auf den Widerruf auch anzuwenden sind, wenn der Mieters der Mieterhöhung im Rahmen eines bestehenden Mietvertrages zuvor zugestimmt hat. Dabei waren beide Mietberufungskammern unterschiedlicher Ansicht.

LG Berlin 10.3.2017, 63 S 248/16 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ 63 S 248/16 +++
Der klagende Mieter dieses Rechtsstreits war seit 1975 Mieter einer in Berlin-Pankow gelegenen Wohnung mit einer Größe von gut 150 m². Die Beklagte hatte das Eigentum an der Immobilie später erworben und war damit in den Mietvertrag als Vermieterin eingetreten. Im Juli 2015 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben, in dem sie bat, der Erhöhung der Miete von bisher rund 807 € um 121 € netto kalt monatlich zuzustimmen. Der Kläger stimmte der Erhöhung zunächst zu, widerrief jedoch kurz darauf schriftlich seine Erklärung unter Berufung auf die Verbraucherschutzvorschriften. Die sich aus der Erhöhung ergebende Differenz zahlte er rückwirkend für die Zeit von Oktober 2015 bis Februar 2016 und ab März 2016 nur noch unter Vorbehalt.

Der Kläger verlangte die Rückzahlung der Differenz von je 121 € für zehn Monate sowie die Feststellung, dass die seit August 2016 geschuldete Nettokaltmiete unverändert 807 € monatlich betrage. Das AG wies die Klage ab. Auch in der Berufung des Klägers vor dem LG blieb erfolglos.

+++ 18 S 357/15 +++
In dem weiteren Fall ging es um die Mieterhöhung für ein in Berlin-Spandau gelegenes Einfamilienhaus. Die Vermieterin hatte dem Mieter im Januar 2015 per Brief gebeten, der Erhöhung der Miete von 853 € auf 980 € monatlich zuzustimmen. Der Mieter gab diese Erklärung im April 2015 ab und zahlte ab diesem Monat auch die erhöhte Miete. Ende Juli 2015 widerrief er jedoch seine Zustimmung und forderte die Vermieterin auf, die gezahlten Differenzbeträge zurückzuerstatten.

Da die Vermieterin dem nicht nachkam, erhob der Mieter Klage auf Rückzahlung der überwiesenen Differenzbeträge und Feststellung, dass die Miete unverändert 853 € betrage. Das AG wies auch hier die Klage ab, da die Verbraucherschutzvorschriften, die insbesondere auf den Vertrieb von Waren aus dem Internet zugeschnitten seien, nicht anwendbar seien. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem LG blieb ohne Erfolg.

Die Gründe:

+++ 63 S 248/16 +++
Die Zivilkammer 63 des LG ging zwar davon aus, dass die Verbraucherschutzvorschriften des BGB nach dem Wortlaut des Gesetzes im Wohnraummietrecht anwendbar waren, und zwar auch, soweit es um Erklärungen ging, mittels derer ein bereits bestehender Mietvertrag geändert werden sollte. Denn die Schutzvorschriften im Mietrecht sind demnach nicht vorrangig und verhindern nicht, den Mieter zusätzlich nach den allgemeinen Vorschriften zu schützen.

Es waren hier jedoch nicht alle Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf erfüllt. Denn der Kläger war zwar Verbraucher, während die Beklagte gewerblich Wohnungen vermietete und damit Unternehmerin war. Zudem war zwischen den Parteien ein Vertrag geschlossen worden, der den ursprünglichen Mietvertrag abgeändert hatte, so dass der Kläger verpflichtet war, eine höhere Miete zu zahlen. Da der Kläger nicht über sein Recht zum Widerruf informiert worden war, hatte die Widerrufsfrist für ihn ein Jahr und 14 Tage betragen war damit gewahrt. Schließlich hat die Beklagte auch ein sog. Fernkommunikationsmittel verwendet, indem sie sich mit einem Brief an den Kläger gewandt hatte.

Allerdings fehlte es an dem erforderlichen Vertriebs- oder Dienstleistungssystem der Beklagten, das für den Fernabsatz geschaffen wurde. Ein solches hätte nur dann vorgelegen, wenn die Beklagte sich Techniken der Fernkommunikation systematisch zu Nutze gemacht hätte und es nach dem Gesamtbild für sie typisch gewesen wäre, Distanzgeschäfte zu schließen. Das Erhöhungsverlangen der Beklagten ließ jedoch nicht erkennen, dass die Beklagte eine Software verwendet hatte, die es ermöglichen konnte, ein Mieterhöhungsverlangen nach Eingabe der konkreten Daten automatisiert zu versenden. Vielmehr lag ein inhaltlich (nur) auf den Kläger bezogenes, individuelles Schreiben vor. Der äußere Anschein, das Schriftbild und der Fließtext sprachen dagegen, dass die Beklagte eine automatisierte Software genutzt hatte.

+++ 18 S 357/15 +++
Die Zivilkammer 18 des LG ging dagegen davon aus, dass entgegen dem Wortlaut des Gesetzes die allgemeinen Vorschriften über den Verbraucherschutz nicht für bestehende Mietverträge galten, sondern nur für den Abschluss eines (neuen) Mietvertrages. So lässt sich aus der Begründung des Gesetzgebers herleiten, dass Erklärungen über Mieterhöhungen nicht unter diesen Schutz fallen sollten.

Anderenfalls käme zu widersprüchlichen Folgen aufgrund der mietrechtlichen Sonderbestimmungen. Denn wenn der Mieter nicht zustimmt, muss der Vermieter innerhalb einer bestimmten Frist Klage auf Zustimmung erheben. Hat der Mieter zunächst zugestimmt, widerruft er jedoch später seine Erklärung, kann jedoch die Klagefrist schon abgelaufen sein. Zudem kann ein Mieter auch stillschweigend durch sein Handeln, insbesondere indem er die geforderte Miete mehrfach zahlt, seine Zustimmung zu der Erhöhung zum Ausdruck bringen. Bei einem solchen konkludenten Handeln ist ein wirksamer Widerruf wiederum nicht möglich.

Linkhinweis:

  • Der Volltexte sind auf www.berlin.de veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: 63 S 248/16 zu kommen, klicken Sie bitte hier (pdf-Dokument).
  • Um direkt zum Volltext von Az.: 18 S 357/15 zu kommen, klicken Sie bitte hier (pdf-Dokument).
LG Berlin Pressemitteilung v. 21.4.2017