Kosten einer wegen der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlichen Betreuung des Kindes durch Dritte stellen keinen Mehrbedarf des Kindes dar
BGH 4.10.2017, XII ZB 55/17Die Beteiligten streiten noch über einen Beitrag des Antragsgegners i.H.v. mtl. 150 € zu den Kosten einer von der Mutter der Antragsteller beschäftigten Tagesmutter. Die im September 2005 und November 2007 geborenen Antragsteller sind die Kinder des Antragsgegners aus seiner im Jahr 2013 geschiedenen Ehe mit der Mutter der Antragsteller. Sie leben im Haushalt ihrer Mutter. Während des Getrenntlebens schlossen die Ehegatten eine bis Dezember 2014 befristete Unterhaltsvereinbarung, in der sich der Antragsgegner neben Kindesunterhalt zur Zahlung von Trennungs- bzw. nachehelichem Unterhalt i.H.v. mtl. rd. 1.350 € verpflichtete.
Die Mutter der Antragsteller hat für die Zeit ab August 2014 eine Tagesmutter zur Betreuung der im Haushalt lebenden Kinder eingestellt. Zu deren Tätigkeit gehören ausweislich des Arbeitsvertrags die Abholung der Kinder von der Schule, die Zubereitung der Speisen und die Hausaufgabenbetreuung so-wie, soweit es zeitlich machbar ist, leichte Hausarbeiten. Sie erhält hierfür eine Vergütung von mtl. 450 €. Zusätzlich fallen mtl. rd. 130 € Abgaben an die Minijob-Zentrale an.
Für die Zeit ab Januar 2015 hatte die Mutter der Antragsteller eine deutlich besser bezahlte Arbeitsstelle als in den vorangegangenen Jahren gefunden. Im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens schlossen die geschiedenen Ehegatten im Februar 2015 vor dem AG einen Vergleich, in dem sie für die Zeit ab Januar 2015 wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten. Ob dieser Vergleich der besser dotierten Arbeitsstelle der Mutter der Antragsteller oder einem Nachgeben des Antragsgegners hinsichtlich des Zugewinns geschuldet war, ist zwischen den Beteiligten umstritten.
Das AG verpflichtete den Antragsgegner neben einer Erhöhung des Barunterhalts zur Zahlung von mtl. 75 € Mehrbedarf pro Kind. Auf die allein gegen die Entscheidung zum Mehrbedarf gerichtete Beschwerde des Antragsgegners änderte das OLG die Entscheidung dahingehend ab, dass diese Anträge der Antragsteller insgesamt abgewiesen werden. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die für die Tagesmutter anfallenden Kosten nicht als Mehrbedarf den Unterhaltsbedarf der Antragsteller erhöhen.
Ob ein von den Eltern anteilig zu tragender Betreuungsmehrbedarf auch dann vorliegt, wenn die Fremdbetreuung nicht über die allgemeine Kinderbetreuung hinausgeht, sondern nur erfolgt, um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, wird nicht einheitlich beurteilt. In der Literatur wird teilweise vertreten, die Betreuungskosten seien allgemein als Mehrbedarf des Kindes zu berücksichtigen. Andere Stimmen nehmen einen Mehrbedarf nur in den Fällen an, in denen ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt, etwa wegen Zusammenlebens mit einem neuen Partner oder bei Wiederverheiratung, nicht besteht. Eine solche generelle Qualifizierung der Kosten einer Fremdbetreuung als Mehrbedarf des Kindes widerspräche dem Gesetz.
Denn grundsätzlich obliegt nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB die Barunterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind einem Elternteil allein, weil der andere Elternteil im Gegenzug dessen Betreuung übernommen hat. Dieser gesetzlichen Regelung würde es widersprechen, wenn im Falle einer Fremdbetreuung stets dieser Teil der eigentlich dem betreuenden Elternteil obliegenden Elternverpflichtung generell als Mehrbedarf nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB auf beide Eltern verlagert würde, während der andere Elternteil allein barunterhaltspflichtig bliebe. Veranlasst der betreuende Elternteil für die Kinder eine Fremdbetreuung, erfüllt er damit regelmäßig lediglich die ihm obliegende Betreuungspflicht und hat deswegen auch die dafür erforderlichen Kosten zu tragen.
Wird die Betreuung eines Kindes durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich, stellen die Betreuungskosten nach der Rechtsprechung des Senats deswegen keinen Mehrbedarf des Kindes dar, sondern gehören zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist. Dafür entstehende Betreuungskosten können mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden. An diesem Grundsatz hält der Senat fest. Ein betreuungsbedingter Mehrbedarf des Kindes liegt deswegen nur dann vor, wenn es sich um einen Betreuungsbedarf handelt, der über den Umfang der von dem betreuenden Elternteil ohnehin geschuldeten Betreuung hinausgeht, etwa wenn die Kosten eine besondere Förderung im Sinne der genannten Rechtsprechung des Senats zu staatlichen Kindergärten, Kindertagesstätten oder Horten betreffen.
Allerdings ist eine Qualifizierung der Betreuungskosten als Mehrbedarf nicht auf die besondere pädagogische Förderung in staatlichen Einrichtungen beschränkt. Auch die Förderung in vergleichbaren privaten Einrichtungen kann über den allgemeinen Betreuungsbedarf hinausgehen und damit einen Mehrbedarf des Kindes auslösen. Generell deckt eine Fremdbetreuung stets insoweit einen Mehrbedarf des Kindes ab, als sie über die üblichen Betreuungsleistungen eines Elternteils (einschließlich der üblichen Hausaufgabenbetreuung) hinausgehen oder die weitere Betreuung etwa pädagogisch veranlasst ist. Auch dann handelt es sich insoweit um Mehrbedarf des Kindes, für den beide Eltern nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig haften. Nach alldem begründen die Kosten der Tagesmutter im vorliegenden Fall keinen Mehrbedarf.
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