Kostenentscheidung gem. § 49 Abs. 2 WEG nach übereinstimmender Erledigungserklärung
BGH 7.7.2016, V ZB 15/14Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Teilungserklärung (TE) zufolge richtet sich das Stimmrecht nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile, von denen der Klägerin mehr als die Hälfte zustehen. § 10 Nr. 4 TE sieht vor, dass "die Versammlung" einem Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, das Stimmrecht entziehen kann.
Zu Beginn der Wohnungseigentümerversammlung vom 1.11.2010 verlas der Geschäftsführer der Verwalterin § 10 Nr. 4 TE und wies darauf hin, dass die Klägerin mit Hausgeldzahlungen für das Jahr 2009 i.H.v. insgesamt 6.290 € in Rückstand sei. Sodann erklärte er entweder - so die ursprüngliche Fassung des Versammlungsprotokolls -, die Klägerin sei nicht stimmberechtigt, oder - so der Inhalt des nachträglich berichtigten Protokolls - dass säumige Mitglieder von der Abstimmung ausgeschlossen werden könnten. Anschließend wurden verschiedene Beschlüsse gefasst. Die Klägerin nahm an der Abstimmung jeweils nicht teil und wies dabei auf ihre "fehlende Stimmberechtigung" hin.
Mit ihrer gegen die übrigen Wohnungseigentümer (Beklagte zu 1) und 3) bis 6) ) gerichteten Klage focht die Klägerin die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten (TOP) 1a (Jahresabrechnung 2009), 1b (Entlastung der Verwaltung), 2 (Wirtschaftsplan 2011) und 6 (Wiederwahl des Verwalters) an und beantragte die Berichtigung des Protokolls mit dem Ziel der Wiederherstellung des ursprünglichen Inhalts beantragt.
Das AG gab der Anfechtungsklage statt, wies den auf Berichtigung des Protokolls gerichteten Antrag ab und verteilte die Prozesskosten unter den Parteien. Nachdem der Rechtsstreit im Berufungsrechtszug in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, entschied das LG, dass die Kosten der ersten Instanz überwiegend der Verwalterin und im Übrigen anteilig den Parteien zur Last fallen; die Kosten des Berufungsverfahrens erlegt es der Verwalterin zur Hälfte und den beiden Berufungsführern zu jeweils 1/4 auf. Die Rechtsbeschwerde der Verwalterin gegen die zu ihrem Nachteil ergangene Kostenentscheidung hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, ob und auf welche Weise der Verwalter eine Entscheidung anfechten kann, mit der ihm gem. § 49 Abs. 2 WEG die Kosten eines Rechtsstreits auferlegt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nach einhelliger und zutreffender Meinung um eine planwidrige Regelungslücke, die durch die analoge Anwendung von § 91a Abs. 2 ZPO und § 99 Abs. 2 ZPO zu schließen ist; infolgedessen ist gegen eine im ersten Rechtszug erfolgte Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde des Verwalters statthaft. Wird erstmals im Berufungsrechtszug eine solche Kostenentscheidung getroffen, ist die Rechtsbeschwerde statthaft, sofern diese - wie hier - zugelassen worden ist.
In der Sache hat das Rechtsmittel, mit dem sich die Verwalterin gegen den auf § 49 Abs. 2 WEG gestützten Teil der Kostenentscheidung wendet, keinen Erfolg. Gem. § 49 Abs. 2 WEG können dem Verwalter Prozesskosten auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft, auch wenn er nicht Partei des Rechtsstreits ist. Eine Kostenentscheidung gem. § 49 Abs. 2 WEG setzt danach das Bestehen eines gegen den Verwalter gerichteten materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs des unterlegenen Wohnungseigentümers wegen der (grob verschuldeten) Verletzung von Pflichten bei der Verwaltung voraus. Dieser Anspruch kann sich aus dem Verwaltervertrag ergeben, der Schutzwirkungen auch zugunsten der Wohnungseigentümer entfaltet. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs ist dem Gericht ein Ermessen nicht eingeräumt; vielmehr müssen sämtliche hierfür erheblichen Tatsachen feststehen.
Gemessen an diesen Vorgaben sind dem LG Rechtsfehler nicht unterlaufen. Es ist nicht schon im Ausgangspunkt ermessensfehlerhaft, die Kostengrundentscheidung nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung (teilweise) auf § 49 Abs. 2 WEG zu stützen. Da § 49 Abs. 2 WEG eine spezielle Ausnahme von der gem. den §§ 91 ff. ZPO vorgesehenen Kostenverteilung darstellt, kann die Bestimmung grundsätzlich auch neben oder anstelle einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zur Anwendung kommen, und zwar auch dann, wenn die Erledigung erst in zweiter Instanz erklärt wird. Allerdings werden die Voraussetzungen hierfür nur ausnahmsweise vorliegen, da § 49 Abs. 2 WEG nur Anwendung finden kann, wenn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand die insoweit erheblichen Tatsachen bereits feststehen.
Hier bejaht das LG die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 WEG rechtsfehlerfrei. Dies gilt zunächst, soweit es meint, die Verwalterin habe die Tätigkeit des Gerichts veranlasst. Insoweit ist bei einer Beschlussanfechtungsklage entgegen verbreiteter Ansicht nicht darauf abzustellen, ob der Kläger bei verständiger Würdigung davon ausgehen musste, nur über einen Prozess zu seinem Recht zu kommen. Nicht zu beanstanden ist die Annahme des LG, die Anfechtungsklage hätte aufgrund einer Pflichtverletzung der Verwalterin Erfolg gehabt und die Kosten wären daher an sich gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO den unterlegenen Wohnungseigentümern aufzuerlegen. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LG auch die Kosten der Berufung teilweise als durch die Verwalterin veranlasst ansieht. Und schließlich erweist es sich auch als rechtsfehlerfrei, dass das LG ein grobes Verschulden annimmt.
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