Kündigung des Mietvertrags durch den in den Mietvertrag eingetretenen Nießbrauchsberechtigten wegen Schriftformmangels trotz Schriftformheilungsklausel
BGH 30.4.2014, XII ZR 146/12Der Beklagte schloss im Mai 2007 mit den Voreigentümern einer als Einkaufszentrum genutzten Gewerbeimmobilie einen Mietvertrag für die Zeit ab Juni 2007 mit einer festen Mietzeit von zehn Jahren. In § 2 des Mietvertrags ist der im Bereich einer marktähnlich gestalteten Ladenpassage gelegene Mietgegenstand als "Räumlichkeiten zur Benutzung als Verkaufs-/Ladenflächen im EG 1, Ebene 3, 75 m², gem. dem als Anlage 1 beiliegenden Mietflächenplan" beschrieben.
Der dem Vertrag angeheftete Mietflächenplan zeigt einen Ausschnitt aus der Ladenpassage, in dem neben zwei als "Lager" und "Verkauf" bezeichneten Bereichen auf den Verkehrs- und Gemeinschaftsflächen Tische mit Bestuhlung eingezeichnet sind, ohne dass diese einem Ladenlokal konkret zugeordnet sind. Der Beklagte nutzte das Mietobjekt als Gaststätte mit Getränkeverkauf. In § 20 Abs. 2 des Mietvertrags heißt es:
"Vertragsänderungen bedürfen in jedem Fall der Schriftform, dies gilt auch für die Aufhebung dieser Schriftformklausel. Den Parteien ist § 550 S. 1 BGB bekannt. Sie verpflichten sich, bei Nichteinhaltung der Schriftform dieses Vertrages die Schriftform nachträglich herbeizuführen sowie bei Veränderungen alles zu unternehmen, um dem Schriftformerfordernis zu genügen und vor diesem Zeitpunkt nicht wegen der mangelnden Form zu kündigen."
Diese Klausel verwendeten die Vermieter auch gegenüber anderen Mietern. Anfang 2008 wurde eine neue Eigentümerin der Gewerbeimmobilie im Grundbuch eingetragen. Diese räumte der Klägerin ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück ein, das im Juni 2008 im Grundbuch eingetragen wurde. Mit Schreiben vom 30.6.2010 und 31.10.2010 erklärte die Klägerin unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Schriftform des Mietvertrags die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2010.
Das LG wies die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gem. § 546 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts zu, da das Mietverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Klägerin gem. §§ 542 Abs. 1, 550, 566 Abs. 1, 567 S. 1, 578 Abs. 1 und 2, 580 a Abs. 2 BGB zum 31.12.2010 beendet worden ist.
Der Mietvertrag wahrt wegen der nicht hinreichenden Bezeichnung des Mietgegenstands nicht die für die wirksame Vereinbarung einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form. Er gilt deshalb gem. §§ 550 S. 1, 578 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte von der Klägerin ordentlich gekündigt werden. Aus der Beschreibung des Mietgegenstands in § 2 des Mietvertrags ergibt sich lediglich, dass der Mieter zur Nutzung einer Verkaufs- und Ladenfläche berechtigt ist und die Mietfläche insgesamt 75 qm beträgt. Aus dem in Bezug genommenen Mietflächenplan ist ersichtlich, dass zum Mietgegenstand ein Lager mit einer Fläche von 11 qm und ein Verkaufsbereich von 17,37 qm gehört. Die genaue Lage der verbleibenden 46,63 qm Mietfläche kann der Planskizze dagegen nicht entnommen werden.
In dem Plan sind auf dem als Gemeinschafts- und Verkehrsfläche genutzten Bereich der Passage mehrere Tische mit Bestuhlung eingezeichnet, aus denen geschlossen werden kann, dass der Beklagte dort zur Aufstellung von Tischen und Stühlen für seinen Gaststättenbetrieb berechtigt sein soll. Welcher konkrete Bereich ihm hierfür zur Verfügung steht, lässt sich aus der Skizze jedoch nicht entnehmen, zumal im Plan mit einer Sektbar, einer Bäckerei und einem Feinkostimbiss weitere Ladengeschäfte eingezeichnet sind, die möglicherweise ihre Waren im Bereich der Gemeinschaftsfläche vertreiben. Ein potenzieller Erwerber kann daher anhand der Beschreibung in § 2 des Mietvertrags und des als Anlage 1 beigefügten Mietflächenplans nicht zweifelsfrei feststellen, welche Flächen in der Passage an den Beklagten vermietet worden sind.
Das OLG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wenn sie sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar gewesen. Grundsätzlich darf sich jede Vertragspartei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Partei sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar.
Jedenfalls ist die vorzeitige ordentliche Kündigung nicht deshalb treuwidrig, weil die Klägerin durch die Regelung in § 20 Nr. 2 des Mietvertrags zur Nachholung der Schriftform verpflichtet wäre. Eine solche Pflicht besteht für die Klägerin nicht. Wie der Senat bereits für eine vergleichbare Schriftformheilungsklausel entschieden hat, verhält sich ein Grundstückserwerber, der gem. § 566 Abs. 1 BGB in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten ist, nicht treuwidrig, wenn er trotz einer im Mietvertrag enthaltenen Heilungsklausel das Mietverhältnis wegen eines Schriftformmangels kündigt. Das gilt unabhängig davon, ob die Heilungsklausel individualvertraglich vereinbart wurde oder Bestandteil eines Formularvertrags ist. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass von dieser Entscheidung abzuweichen.
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