24.10.2019

Lohnsteuerpauschalierung bei zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistungen des Arbeitgebers

Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn i.S. der entsprechenden Vorschriften - wie z.B. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 oder § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG - ist derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt. Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 1.8.2019 - VI R 32/18

EStG § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2, § 40 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 1
AO § 42 Abs. 1


Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG kann der Arbeitgeber abweichend von Abs. 1 die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, soweit er den Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung zahlt. Für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zuschüsse u.a. zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2013) bzw. erster Tätigkeitsstätte (ab dem Veranlagungszeitraum 2014) kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 15 % erheben, soweit diese Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden.

Im entschiedenen Streitfall ging es nun allein um die Frage, ob das den genannten Vorschriften gemeinsame Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" vorliegend erfüllt ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH werden Zuschüsse des Arbeitgebers "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" geleistet, wenn sie zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die entweder durch Vereinbarung, eine dauernde Übung oder sonst arbeitsrechtlich geschuldet sind. Danach ist der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" der lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteil, der arbeitsrechtlich geschuldet ist; das ist der Arbeitslohn, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht. Der zusätzlich hierzu geleistete Lohn ist danach derjenige, auf den der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich keinen Anspruch hat, der folglich freiwillig vom Arbeitgeber erbracht wird.

An dieser Rechtsprechung hält der BFH nun jedoch nicht mehr fest. Vielmehr geht er davon aus, dass der zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn i.S. der entsprechenden Vorschriften der Arbeitslohn ist, den der Arbeitgeber nur verwendungs- bzw. zweckgebunden leistet. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn i.S. der entsprechenden Vorschriften ist mithin derjenige, den der Arbeitnehmer verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erhält. Im Allgemeinen unterliegt dieser Lohn der Regelbesteuerung.

Demgegenüber ist der hinzutretende verwendungsgebundene (zusätzliche) Lohn in den vorgenannten Vorschriften insofern begünstigt, als er vom Arbeitgeber mit einem Pauschsteuersatz besteuert oder - wie in anderen Fällen (§ 3 Nrn. 15, 33, 34, 34a, 37 und 46 EStG) - steuerfrei erbracht werden kann, sofern die persönlichen und sachlichen Begünstigungsvoraussetzungen erfüllt sind und insbesondere der - gesetzlich angeordnete und arbeitsvertraglich vereinbarte - besondere Verwendungszweck gewahrt wird.

Auf die Frage, ob der Arbeitnehmer auf den fraglichen Lohnbestandteil arbeitsrechtlich einen Anspruch hat, kommt es daher nicht mehr an. Insbesondere zwingt der Wortlaut des Gesetzes nicht zu dem Verständnis, der zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn dürfe seinerseits nicht geschuldet sein. Denn Freiwilligkeit und Zusätzlichkeit schließen einander nicht aus. Vielmehr kann auch zu einer Zahlung, auf die im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht, eine weitere ebenfalls arbeitsrechtlich geschuldete Leistung hinzutreten.

Der BFH entschied ferner, dass das Zusätzlichkeitserfordernis auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen ist. Dies folgt aus dem in § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG verankerten Zuflussprinzip als allgemeinem Grundsatz. Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel ist deshalb nicht begünstigungsschädlich. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen. Diese treten nunmehr zum Zahlungszeitpunkt zum ohnehin nur noch in geminderter Höhe geschuldeten Lohn hinzu und werden somit "zusätzlich" zu diesem erbracht.

Im Streitfall hatte das FG dem Steuerpflichtigen die Pauschalierung der Lohnsteuer für die streitigen Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung sowie den Fahrtkosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- bzw. erster Tätigkeitsstätte zu Unrecht versagt. Denn der Steuerpflichtige hatte diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt.

Der BFH hält eine derartige Gestaltung auch nicht für rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 42 AO. Im Streitfall lag Gestaltungsmissbrauch schon deshalb nicht vor, weil der Steuerpflichtige lediglich von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hatte, bestimmte begünstigte Lohnleistungen zu pauschalieren.

BFH, Urteil vom 1.8.2019, VI R 32/18, veröffentlicht am 24.10.2019.
Verlag Dr. Otto Schmidt