18.09.2012

Mehr Schmerzensgeld nach Bestreiten einer Unfallursache wider besseres Wissen

Einem Motorradfahrer steht nach einem Unfall ein erhöhtes Schmerzensgeld gegen ein Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs zu, wenn dieses die Unfallursache wider besseres Wissen vor Gericht bestritten hat. Vorliegend war der Motorradfahrer auf dem Belag einer Fähre weggerutscht und schwer gestürzt.

Schleswig-Holsteinisches OLG 5.9.2012, 7 U 15/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad auf eine Fähre, um einen Fluss zu überqueren. Er folgte bei der Auffahrt den Anweisungen des Personals und wechselte auf der Fähre die Spur, um nach vorn zu fahren. Dabei brach das Hinterrad aus und der Motorradfahrer stürzte auf die linke Schulter. Er erlitt eine Schultergelenkssprengung mit Abriss von Bändern, wurde anschließend operiert und über mehrere Wochen nachbehandelt.

Die Fähre war gerade zur Überholung in der Werft gewesen und hatte einen neuen Anstrich des Fahrbahndecks erhalten. Nach dem Unfall ließen die Verkehrsbetriebe die Fähre mit einem anderen Anstrich versehen. Der Motorradfahrer trug vor Gericht vor, dass der neue Belag ungeeignet und bei Feuchtigkeit sehr glatt gewesen sei. Die Verkehrsbetriebe beriefen sich darauf, dass es bisher keine Probleme mit dem neuen Belag gegeben habe. Eventuell habe der Motorradfahrer zu viel Gas gegeben und sei deshalb gestürzt.

Das LG wies die auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage ab. Im Berufungsverfahren forderte das OLG die Verkehrsbetriebe auf, das Bordbuch der Fähre vorzulegen. Dieses wies für den Vortag des Unfalls folgenden Eintrag auf: "Deck bei Regen und Tau sehr glatt!!! Unfallgefahr". Das OLG gab der Klage daraufhin statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Es steht fest, dass das frisch gestrichene Fahrdeck der Fähre bei Feuchtigkeit und Nässe mehr als zu erwarten sehr glatt war. Es hätte daher wenigstens eines deutlichen Warnhinweises an die Benutzer der Fähre bedurft, wenn die Fähre trotz der Gefährdung der Nutzer weiterhin eingesetzt werden sollte. Der Kläger durfte als ständiger Fährnutzer davon ausgehen, dass der Fahrbahnbelag die übliche Beschaffenheit auswies.

Erschwerend und schmerzensgelderhöhend war zusätzlich das nicht hinnehmbare Verhalten der Beklagten zu berücksichtigen, die im ersten Rechtszug angesichts des Dienstbucheintrags wider besseres Wissen bestritten hat, dass das Fährpersonal um die besondere Glätte bei Feuchtigkeit wusste. Aus diesem Grund war das angemessene Schmerzensgeld um 500 € auf 5.500 € zu erhöhen.

Schleswig-Holsteinisches OLG PM Nr. 18 vom 18.9.2012
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