20.08.2012

Mieter müssen Vermieter über geplanten ausschließlichen Verkauf von "Thor Steinar"-Textilien aufklären

Den Mieter eines Textileinzelhandelsgeschäft trifft eine vorvertragliche Aufklärungspflicht darüber, dass er sich die Möglichkeit des Verkaufs ausschließlich einer einzigen Textilmarke offen halten möchte, wenn dem Mieter vom Vermieter vor Vertragsschluss erklärt wird, der Vermieter hege Bedenken gegen den Verkauf dieser Marke. Erweckt der Mieter in dieser Situation gegenüber dem Vermieter der Eindruck, er werde eine Vielzahl von Marken anbieten, von denen die problematische Marke nur eine ist, verletzt er seine vorvertragliche Aufklärungspflicht.

OLG Dresden 27.7.2012, 5 U 68/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung gewerblich genutzter Räume nach außerordentlicher Kündigung und Anfechtung wegen arglistiger Täuschung des Mietvertrages in Anspruch.

Die Parteien schlossen einen zunächst auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag über eine Ladenfläche in einem Einkaufscenter. Die Geschäftsleitung der Klägerin äußerte dabei gegenüber der Klägerin Bedenken wegen des Verkaufs von Textilien der Marke "Thor Steinar". Ungeachtet dessen verkauft die Klägerin seit der Eröffnung des Ladens dort ausschließlich "Thor Steinar"-Textilien.

Die Klägerin erklärte daraufhin schriftlich gegenüber der Beklagten sowohl die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung als auch dessen außerordentliche Kündigung. Die Beklagte wies die Kündigung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten zurück. Sie räumte das Ladengeschäft nicht.

Das LG gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, ihr Ladenlokal, in dem sie ausschließlich Textilien der Marke "Thor Steinar" verkauft, zu räumen. Die Klägerin war berechtigt, den Mietvertrag fristlos zu kündigen, weil die beklagte Mieterin eine ihr obliegende vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat. Ihr steht daher der von ihr geltend gemachte Herausgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB zu.

Es bestehen zwar vor Abschluss eines Mietvertrages - auch bei der Geschäftsraummiete - im Grundsatz keine Aufklärungspflichten, denn beiden Vertragspartnern obliegt es selbst, ihre Interessen wahrzunehmen, so dass sie sich selbst die notwendigen Informationen für die Entscheidung beschaffen müssen, ob die Eingehung des Vertrages für sie vorteilhaft ist oder nicht. Ausnahmsweise besteht aber eine vorvertragliche Aufklärungspflicht hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Mietsache, die von besonderer Bedeutung für den Entschluss der anderen Vertragspartei zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann.

Nach diesen Kriterien war für die Beklagte im vorliegenden Fall gegenüber der Klägerin aufklärungsbedürftig, welchen Stellenwert die Textilien der Marke "Thor Steinar" im Ladengeschäft der Beklagten einnehmen sollten. Der Beklagten waren vor der Unterschrift der Klägerin unter dem Mietvertrag bekannt, dass die Geschäftsleitung der Klägerin Bedenken betreffend den Verkauf von Textilien der Marke "Thor Steinar" hatte und vor diesem Hintergrund weitere Informationen betreffend den Verkauf dieser Marke erforderlich seien. Es hätte der Beklagten daher oblegen, die Klägerin auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass im Ladengeschäft Textilien der Marke "Thor Steinar" nicht nur unter einer Vielzahl von angeboten Marken sondern ausschließlich angeboten werden würden.

Linkhinweis:

OLG Dresden, PM vom 13.8.2012
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