28.07.2015

Mitnahmeweigerung durch Flugkapitän kann trotz "Fit-for-Fly"-Bescheinigung rechtmäßig sein

Der Flugkapitän hat als verantwortlicher Luftfahrzeugführer gem. § 12 Abs. 1 bis 3 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen und ist daher befugt, die dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Lediglich grobe Einschätzungsfehler und Willkür können zu einem Verschulden des Kapitäns führen; an Feststellungen eines Arztes hinsichtlich einer "Fit-for-Fly"-Bescheinigung ist er nicht gebunden und kann somit eine Mitnahme verweigern.

AG Hannover 17.2.2015, 454 C 1164/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte bei dem beklagten Flugunternehmen für sich, ihren Ehemann und die 13 jährige Tochter Flüge von Hannover nach Heraklion in Griechenland und zurück für 2.199 € gebucht. Der Rückflug sollte am 14.10.2013 um 18:15 Uhr erfolgen. Die Familie konnte zwar planmäßig einchecken und befand sich auch bereits abflugbereit in der Maschine, als der Kapitän des Flugzeugs die Familie plötzlich zum Gespräch bat und die Mitnahme des Mädchens aufgrund einer erlittenen Verletzung verweigerte.

Die Tochter der Klägerin hatte sich bei einem Sturz am Tag zuvor einen Schlüsselbeinbruch zugezogen. Der behandelnde Arzt hatte ihr zwar eine "Fit-for-Fly" Bescheinigung ausgestellt, die der Kapitän dann aber nicht akzeptierte. Die Familie musste das Flugzeug verlassen und konnte erst für den 21.10.2013 einen Flug nach Hannover buchen. Die Klägerin musste sich vor Ort selbst um die Unterbringung der Familie und die Rückflüge kümmern.

Zuhause angekommen machte die Klägerin die Kosten für den nicht angetretenen Flug i.H.v. rund 1.208 €, ärztliche Behandlungskosten in Griechenland i.H.v. 1.040 €, Hotelkosten i.H.v. 1.120 € und weitere Nebenkosten i.H.v. 211 € geltend. Hiervon zog sie die Rückerstattung einer Reiseversicherung von 800 € ab. Das AG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Kostenerstattungsanspruch. Die Weigerung zur Mitnahme durch den Flugkapitän war nämlich zu Recht erfolgt.

Der Flugkapitän hat als verantwortlicher Luftfahrzeugführer gem. § 12 Abs. 1 bis 3 LuftSiG für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen und ist daher befugt, die dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies bedeutet, dass er einen Beurteilungsspielraum bei der Feststellung einer Gefahrenlage und der Auswahl der erforderlichen Maßnahme hat. Lediglich grobe Einschätzungsfehler und Willkür können zu einem Verschulden des Kapitäns führen.

Ein solches Verschulden konnte hier nicht festgestellt werden. Die Feststellungen des Arztes hinsichtlich der "Fit-for-Fly"-Bescheinigung war der Kapitän nicht gebunden. Aus dem "First Aid Manual" des beklagten Luftfahrtunternehmens ergab sich, dass eine Mitnahme in einem Flugzeug innerhalb der ersten 24 Stunden nach einer Fraktur nicht erlaubt ist und in dem Zeitraum von 24 bis 48 Stunden nach einer Fraktur nur Flüge bis maximal 2 Stunden erlaubt sind. Zwar stellt dies lediglich eine Handlungsanweisung für den Piloten ohne Bindungswirkung dar, es lässt aber den Schluss zu, dass mit ernsten weiteren Verletzungen bei einem Flug zu rechnen ist.

Außerdem hatte der Kapitän im vorliegenden Fall noch telefonisch Kontakt zu einer befreundeten Ärztin aufgenommen. Diese hatte auf die Gefahren einer Nachblutung mit Einblutung hinter die Lungenwand mit der Gefahr von langfristigen Lungenproblemen hingewiesen. Da der Schlüsselbeinbruch keine 24 Stunden vor dem Abflug erfolgt war, konnte das Gericht keine Überschreitung des Beurteilungs- und Ermessensspielraumes durch den Flugkapitän feststellen. Infolgedessen musste die Beklagte die negativen Folgen der Klägerin durch die Beförderungsweigerung nicht vertreten.

AG Hannover PM v. 27.7.2015
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