29.09.2017

Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko bei einer GmbH & Still

Bei einer GmbH & Still kann sich die Entfaltung einer stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative des stillen Gesellschafters auch aus dessen Stellung als Geschäftsführer der GmbH als Inhaberin des Handelsgewerbes ergeben. Mitunternehmerrisiko setzt einen Gesellschafterbeitrag voraus, durch den das Vermögen des Gesellschafters belastet werden kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 13.7. 2017 - IV R 41/14

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO § 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a

Im Streitfall ging es um die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um bei einer stillen Beteiligung an einer GmbH von einer Mitunternehmerschaft (atypisch stille Beteiligung) ausgehen zu können. Mitunternehmer ist derjenige Gesellschafter, der kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt.

Mitunternehmerinitiative bedeutet dabei vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs.1 BGB entsprechen.

Mitunternehmerrisiko trägt, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnimmt. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt.

Die vorstehenden Merkmale können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein und ein geringeres mitunternehmerisches Risiko kann durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden und umgekehrt. Beide Merkmale müssen jedoch vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen.

Diese Grundsätze gelten auch für die stille Beteiligung am Unternehmen einer GmbH. Ein stiller Gesellschafter an einer GmbH ist nur Mitunternehmer, wenn in seiner Person beide Merkmale (Mitunternehmerrisiko und - initiative) vorliegen.

Das volle Mitunternehmerrisiko eines stillen Gesellschafters ist im Regelfall dadurch gekennzeichnet, dass das Unternehmen im Innenverhältnis (d.h. mit schuldrechtlicher Wirkung) auf gemeinsame Rechnung und Gefahr des Geschäftsinhabers sowie des stillen Gesellschafters geführt wird. Der Stille muss daher nicht nur am laufenden Unternehmenserfolg beteiligt sein; darüber hinaus müssen die Regelungen des Gesellschaftsvertrags die Gewähr dafür bieten, dass er (grundsätzlich) im Falle der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses entsprechend seinem Gewinnanteil Anspruch auf den Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem - nach den üblichen Methoden des Geschäftsverkehrs ermittelten - Firmenwert hat.

Bleibt das Mitunternehmerrisiko des stillen Gesellschafters - etwa mangels einer in die steuerrechtliche Beurteilung einzubeziehenden Beteiligung am Firmenwert - hinter der Rechtsstellung zurück, die das HGB dem Kommanditisten zuweist, so kann nur dann von einem atypisch stillen Gesellschaftsverhältnis ausgegangen werden, wenn bei Würdigung der Gesamtum¬stände des Streitfalls seine Möglichkeit zur Entfaltung von Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt ist.

Für die Annahme einer besonders stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative genügt es jedoch nicht, dass die Kontrollbefugnisse des § 233 HGB z.B. im Sinne der Rechte nach § 716 BGB ausgedehnt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass dem Stillen - sei es als Geschäftsführer, sei es als Prokurist oder leitender Angestellter - Aufgaben der Geschäftsführung, mit denen ein nicht unerheblicher Entscheidungsspielraum und damit auch Einfluss auf grundsätzliche Fragen der Geschäfts¬leitung verbunden ist, zur selbständigen Ausübung übertragen werden, d.h. der stille Gesellschafter muss wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens Einfluss nehmen können. Dies kann zwar auch bei Einräumung umfassender Weisungsrechte zu bejahen sein. Nicht ausreichend sind hingegen bloße Zustimmungsvorbehalte oder nur faktische - d.h. rechtlich nicht abgesicherte - Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Unternehmensführung.

Die rechtlichen Grundlagen für die personenbezogen auf den einzelnen Mitunternehmer zu betrachtende Mitunternehmerinitiative müssen grundsätzlich in dem Unternehmen selbst angelegt sein. Für die Annahme, dass ein stiller Gesellschafter wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens und damit auch seiner eigenen Erfolgsbeteiligung Einfluss nehmen könne, kann es genügen, dass er im Unternehmen die Stellung eines Geschäftsführers einnimmt, die er aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses selbständig und aus eigenem Recht bekleidet.

Bei einer GmbH & Still ist die Möglichkeit des stillen Gesellschafters zur Entfaltung einer besonders stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative nicht nur anhand des Gesellschaftsvertrags der stillen Gesellschaft zu beurteilen, sondern auch aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH.

Die Möglichkeit der Entfaltung einer stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative infolge der Geschäftsführertätigkeit wird auch nicht dadurch beeinflusst, dass die übrigen Gesellschafter der GmbH die Möglichkeit hätten, dem Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführung zu entziehen. Solange dies nicht geschieht, hat der Geschäftsführer die Möglichkeit der Entfaltung einer stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative. Daher kann sich bei einer GmbH & Still - ähnlich wie bei einer GmbH & Co. KG - die starke Ausprägung einer Mitunternehmerinitiative auch aus der Stellung als Organ der GmbH ergeben, denn der GmbH-Geschäftsführer, der zugleich stiller Gesellschafter ist, wird über die GmbH - formal gesehen nur mittelbar - als stiller Gesellschafter "im Dienst der Personengesellschaft" tätig. Während dies bei einer GmbH & Co. KG jedenfalls insoweit gilt, als sich der Unternehmensgegenstand der Komplementär-GmbH auf die Führung der Geschäfte der Personengesellschaft beschränkt, ist bei einer GmbH & Still deren Unternehmensgegenstand regelmäßig mit dem des Inhabers des Handelsgewerbes (GmbH) identisch.

Im Streitfall ergab sich eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative, die geeignet ist, ein minder ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko auszugleichen, aus der Stellung der still beteiligten natürlichen Person als Geschäftsführerin der Inhaberin des Handelsgewerbes (der GmbH). Der BFH verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück, da noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob die beteiligte natürlich Person überhaupt die Mindestvoraussetzungen für die Übernahme eines Mitunternehmerrisikos erfüllt hat (durch Übernahme einer Bar- oder Sacheinlage, durch eine Nutzungseinlage oder aufgrund eines (Forderungs-)Verzicht auf ein Entgelt für im Interesse der Gesellschaft tatsächlich geleistete Arbeit).

Sollte danach ein Mitunternehmerrisiko zu verneinen sein, könnte auch eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative diesen Mangel nicht ausgleichen. Denn zur Annahme einer Mitunternehmerstellung eines Gesellschafters müssen in dessen Person Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative stets kumulativ vorliegen.

BFH, Urteil vom 13.7.2017, IV R 41/14, veröffentlicht am 27.9.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt