03.01.2012

Nach § 46 Abs. 1 S. 1 WEG sind stets sämtliche (übrigen) Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verklagen

Zu verklagen sind nach § 46 Abs. 1 S. 1 WEG ausnahmslos sämtliche (übrigen) Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Ausnahmen, die an die materiellrechtliche Betroffenheit anknüpfen, sieht die Regelung nicht vor.

BGH 11.11.2011, V ZR 45/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied einer aus zwei Wohnhäusern (Haus A und B) und einer Tiefgarage bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Ihr gehört eine in dem Haus B befindliche Eigentumswohnung. Die Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass die Kosten für die beiden Häuser sowie für die Tiefgarage jeweils getrennt abzurechnen und nur von den jeweiligen Eigentümern zu tragen sind.

Auf der Eigentümerversammlung im März 2010 wurde beschlossen, Haus B mit Funkzählern für Heizung und Wasser auszustatten. An der Abstimmung hierzu nahmen nur die Wohnungseigentümer des Hauses B teil. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit der gegen alle übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erhobenen Beschlussmängelklage.

Das AG wies die Klage ab. Die Wohnungseigentümer des Hauses A seien nicht passivlegitimiert; der angefochtene Beschluss sei i.Ü. auch nicht zu beanstanden. Berufung legte die Klägerin fristgerecht nur insoweit ein, als die Klage gegen die Wohnungseigentümer des Hauses B abgewiesen worden ist. Auf Hinweis des LG erweiterte sie ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf die Abweisung der Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das LG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG legt zutreffend zugrunde, dass eine - wie im Streitfall - nur gegen einen Teil der notwendigen Streitgenossen (fristgerecht) eingelegte Berufung unzulässig ist. Zu verklagen sind nach § 46 Abs. 1 S. 1 WEG stets sämtliche übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Da diese notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 ZPO sind, muss sich auch die Berufung gegen sämtliche Streitgenossen richten. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Vorschrift des § 46 Abs. 1 S. 1 WEG nicht einschränkend auszulegen; der Normtext ist insoweit unzweideutig. Ausnahmen, die an die materiellrechtliche Betroffenheit anknüpfen, sieht die Regelung nicht vor.

Wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift belegt, beruht die Fassung des § 46 Abs. 1 S. 1 WEG auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Ausnahmen wurden nicht vorgesehen, obwohl die Problematik der Mehrhausanlagen bekannt war. Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit untermauern diese Auslegung. Bei der Bestimmung des richtigen Klagegegners ist darauf Bedacht zu nehmen, dass auch eine nicht anwaltlich vertretene Partei ohne komplizierte rechtliche Überlegungen ermitteln kann, gegen wen eine Anfechtungsklage zu richten ist. Dies schließt es aus, die Vorschrift unter Heranziehung von Kriterien einschränkend auszulegen, die im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze finden.

Gemessen daran, hat das LG zu Recht eine fristgerechte Berufungseinlegung gegen sämtliche notwendige Streitgenossen verneint. Das bewusst auf die Wohnungseigentümer des Hauses B beschränkte Rechtsmittel ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO erweitert worden. Der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht entgegen, dass die Fristversäumnis auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht (§ 233 ZPO). In Zweifelsfällen muss der Rechtsanwalt den für den Mandanten sichersten Weg beschreiten. Jedenfalls daran fehlt es hier.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass das LG sich dem AG bei der Frage einer einschränkenden Auslegung der Regelung des § 46 Abs. 1 S. 1 ZPO anschließen würde. Vielmehr muss jeder verständige Prozessbevollmächtigte insbes. auch eine am Wortlaut der Regelung ausgerichtete Auslegung in Rechnung stellen. Das gilt umso mehr, als über die Frage der Passivlegitimation zwischen den Parteien bereits im ersten Rechtszug gestritten worden ist. Es hätte daher einem auf der Hand liegende Gebot anwaltlicher Vorsicht entsprochen, vorsorglich fristgerecht Berufung gegen alle übrigen Wohnungseigentümer einzulegen.

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