08.03.2018

Nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten nach Veräußerung des Vermietungsobjekts

Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist maßgeblich, was mit dem Erlös aus der Veräußerung des mit einem Darlehen fremdfinanzierten Vermietungsobjekts geschieht. Dabei reicht die nicht durch eine tatsächliche Verwendung begründete (angebliche) Reinvestitionsabsicht des Veräußerungserlöses in ein noch zu erwerbendes Vermietungsobjekt nicht aus, um der Surrogationsbetrachtung zu genügen und den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen.

Kurzbesprechung
BFH v. 6.12. 2017 - IX R 4/17

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1

Im Streitfall ging es um die grundsätzliche Frage, ob Schuldzinsen, die nach Veräußerung eines Vermietungsobjekts verbleiben, weil der erzielte Veräußerungserlös nicht zur Schuldenablösung verwandt wurde, obwohl er ausgereicht hätte, um die noch bestehende Restschuld zu tilgen, weiterhin als - nachträgliche - Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können.

FA und FG versagten den geltend gemachten Schuldzinsenabzug, ebenso der BFH im sich anschließenden Revisionsverfahren. Er entschied, dass ein einmal begründeter und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallener wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 EStG nicht allein deshalb entfällt, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird. Vielmehr setzt sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den Einkünften aus der Vermietung - unabhängig von der Veräußerung und mithin auch unabhängig von der Frage ihrer Steuerbarkeit - am Veräußerungspreis fort (sog. Surrogationsbetrachtung). Daher sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen ent¬fallen, grundsätzlich auch nach einer - ggf. gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren - Veräußerung der Immobilie weiter als (nachträgliche) Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung).

Schafft der Steuerpflichtige mit dem Veräußerungserlös eine neue Einkunftsquelle - etwa ein zur Vermietung bestimmtes Immobilienobjekt - an, besteht der Zusammenhang (ggf. anteilig in Höhe des verwendeten Erlöses) am neuen Objekt fort.

Wird kein neues Objekt und auch keine anderweitige Einkunftsquelle angeschafft, kommt es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen. Ist dies der Fall, endet der wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, und zwar unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige  tatsächlich das Darlehen ablöst, oder ob er den Veräußerungserlös anderweitig (privat) verwendet und das Darlehen bestehen lässt. Denn im letztgenannten Fall wird der grundsätzlich fortbestehende Veranlassungszusammenhang von einer privat motivierten Entscheidung - die Nichtablösung des Darlehens oder der anderweitigen Verwendung des Verkaufserlöses - ersetzt.

Veräußert der Steuerpflichtige dagegen die vermietete Immobilie, reicht der Verkaufserlös aber nicht aus, um ein hierfür aufgenommenes Darlehen abzulösen, bleibt der nicht ablösbare Teil des (fortgeführten) Anschaffungsdarlehens im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Der BFH machte deutlich, dass die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit stets objektbezogen ist; maßgebend ist die auf ein bestimmtes Objekt ausgerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten kommt es auf den wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem konkreten Vermietungsobjekt im Zeitpunkt ihres jeweiligen Entstehens an.

Dagegen genügt eine bloße gedankliche Zuweisung eines Darlehens durch den Steuerpflichtigen nicht. Vielmehr müssen die tatsächlich einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden können. Es steht daher nach der erstmaligen - objektbezogenen - Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts auch nach dessen späterer Veräußerung nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, ungeachtet der objektiven Umstände lediglich aufgrund einer bloßen Willensentscheidung diese Fremdmittel einem anderen Vermietungsobjekt zuzuordnen. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass das Darlehen auch im Zeitpunkt des jeweiligen Entstehens der Schuldzinsen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften verwendet worden sein muss.

Im entschiedenen Streitfall war daher ein Abzug nachträglicher Werbungskosten in Form der nach Veräußerung des Objekts verbliebenen Schuldzinsen ausgeschlossen, da mit dem Veräußerungserlös keine neue Einkunftsquelle angeschafft worden war, dieser aber ausgereicht hätte, um die in Rede stehenden Darlehen abzulösen.

BFH, Urteil vom 6.12.2017, IX R 4/17, veröffentlicht am 7.3.2018.

Verlag Dr. Otto Schmidt