20.07.2017

Nachversteuerung eines negativen Kapitalkontos auf Grund der Auflösung einer KG

Ein Veräußerungsgewinn aus dem Wegfall eines negativen Kapitalkontos in Folge der Auflösung einer KG ist auch im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG (nunmehr § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG) erst in dem Zeitpunkt realisiert, in dem feststeht, dass das negative Kapitalkonto nicht mehr durch Gewinne oder Einlageforderungen aufgefüllt werden kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 30.3. 2017 - IV R 9/15

EStG § 15a, § 16, § 52 Abs. 24 Satz 3, § 52 Abs. 33 Satz 3
BerlinFG § 15a

Scheidet ein Kommanditist oder ein anderer Mitunternehmer, dessen Haftung der eines Kommanditisten vergleichbar ist und dessen Kapitalkonto in der Steuerbilanz der Gesellschaft auf Grund von ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten negativ geworden ist, aus der Gesellschaft aus oder wird in einem solchen Fall die Gesellschaft aufgelöst, so gilt der Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen muss, als Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 EStG (§ 52 Abs. 33 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung, nunmehr § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG n.F., vormals § 52 Abs. 20a Satz 4, § 52 Abs. 21 Satz 4 bzw. § 52 Abs. 19 Satz 4 EStG a.F.).

Gemäß § 52 Abs. 19 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 Nr. 2 EStG 1998 ist § 15a EStG erst für Verluste, die nach dem 31. 12. 1994 entstanden sind, anwendbar, wenn - wie im Streitfall - die Verluste im Zusammenhang mit der Errichtung und der Verwaltung von Gebäuden entstehen, die mit öffentlichen Mitteln i.S. des § 6 Abs. 1 oder nach § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (WoBauG 2) gefördert sind. Eine teilweise deckungsgleiche Regelung enthält § 15a Satz 2 BerlinFG. Beide Regelungen stehen in keinem Ausschlussverhältnis.

Allerdings kann der bloße Wegfall der Gewinnerzielungsmöglichkeit bei einer Personengesellschaft zur Nachversteuerung negativer Kapitalkonten der Kommanditisten führen, ohne dass die Voraussetzungen des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG bzw. § 15a BerlinFG erfüllt sein müssen. Sind jedoch, wie im Streitfall, auch die Voraussetzungen des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG bzw. des § 15a BerlinFG erfüllt, so hat die ausdrückliche gesetzliche Regelung Vorrang. § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG und ebenso § 15a Satz 2 BerlinFG sind auch auf die Nachversteuerung negativer Kapitalkonten anzuwenden, die auf Verlusten beruhen, auf die § 15a EStG bzw. § 15a BerlinFG noch nicht anzuwenden waren.

Wann der Veräußerungsgewinn in Folge des Ausscheidens des Kommanditisten aus der fortbestehenden KG oder in Folge der Auflösung der KG entsteht, regeln weder § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG noch § 15a Satz 2 BerlinFG. Der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsgewinn steuerrechtlich erzielt worden ist, richtet sich daher nach den allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, insbesondere dem Realisationsprinzip.

Der Veräußerungsgewinn im Anwendungsbereich von § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG und § 15a Satz 2 BerlinFG ist danach in der Schlussbilanz desjenigen Wirtschaftsjahres zu erfassen, in dem feststeht, dass der Kommanditist zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos nicht (mehr) verpflichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass mit zukünftigen Gewinnen oder mit sonstigen Einlageforderungen, mit denen das negative Kapitalkonto aufgefüllt werden könnte, nicht mehr zu rechnen. Der Veräußerungsgewinn ist daher frühestens in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Mitunternehmer aus der Gesellschaft ausscheidet oder in den die Auflösung der Gesellschaft fällt, zu erfassen.

Wird die Gesellschaft, wie im Streitfall, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst, wird der Veräußerungsgewinn regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der Gesellschaft oder, soweit die Gesellschaft ihren Gewerbebetrieb schon vor dem Abschluss des Insolvenzverfahrens einstellt, im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe realisiert. Bis zu diesem Zeitpunkt lässt sich nämlich regelmäßig noch nicht absehen, ob das negative Kapitalkonto durch etwaige Gewinne während der Liquidation der Gesellschaft oder durch sonstige Handlungen des Insolvenzverwalters, wie z.B. die Rückforderung von Liquiditätsausschüttungen, die Nachforderung einer rückständigen Einlage oder durch Insolvenzanfechtung, ganz oder teilweise wieder aufgefüllt wird oder ob das negative Kapitalkonto auf Grund der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens tatsächlich überhaupt nicht wegfällt, weil in dem festgestellten Insolvenzplan die Fortführung des Unternehmens festgelegt wird (vgl. § 230 Abs. 1 der Insolvenzordnung). Der Veräußerungsgewinn auf Grund der Auflösung der Gesellschaft (in Folge der Insolvenzeröffnung) ist daher zu einem früheren Bilanzstichtag ausnahmsweise nur dann realisiert, wenn zu diesem Bilanzstichtag feststeht, dass eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos durch den Kommanditisten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen wird.

Ob der Veräußerungsgewinn schon in der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres der Auflösung der Gesellschaft zu erfassen ist, richtet sich nach den Erkenntnissen am Bilanzstichtag. Es müssen danach zum Bilanzstichtag Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss darauf zulassen, dass eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos durch den Kommanditisten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen wird. Grundsätzlich können allerdings wertaufhellende Tatsachen nach dem Bilanzstichtag bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§ 243 Abs. 3 HGB) aufzustellen gewesen wäre, berücksichtigt werden. Nicht zu berücksichtigen sind demgegenüber neue, sog. wertbegründende Tatsachen. Als "wertaufhellend" sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung, lediglich bekannt oder erkennbar wurden. Der zu beurteilende Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung ist daher auf die am Bilanzstichtag - objektiv - bestehenden Verhältnisse zu beziehen. Auf die Erkenntnisse am Bilanzstichtag ist ebenfalls abzustellen, wenn, wie im Streitfall, ein Jahresabschluss nicht vorgelegt wird, der Gewinnfeststellungsbescheid daher auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruht. Denn dieser Schätzung liegt eine fiktiv fortgeführte Gesellschaftsbilanz zu Grunde.

Im entschiedenen Streitfall stand zum Bilanzstichtag (31.12.2008) noch nicht fest, dass eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos durch den Kommanditisten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen würde, so dass eine Nachversteuerung zu diesem Zeitpunkt nicht in betracht kam. Denn zum maßgeblichen Stichtag war unter Berücksichtigung des von der Insolvenzverwalterin geschätzten Teilwerts eines Grundstücks mit einem Veräußerungsgewinn zu rechnen, der zu einem teilweisen Ausgleich der negativen Kapitalkonten der Kommanditisten führen würde. Selbst unter "wertaufhellender" Berücksichtigung des durch den Verkauf im Jahr 2009 tatsächlich erzielten niedrigeren Kaufpreises ergab sich daher immer noch ein Veräußerungsgewinn, der ebenfalls teilweise zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos führte.

BFH, Urteil vom 30.3.2017, IV R 9/15, veröffentlicht am 19.7.2017
Verlag Dr. Otto Schmidt