Nichtabziehbare Schuldzinsen: Begrenzung der Bemessungsgrundlage auf Entnahmenüberschuss
KurzbesprechungEStG § 4 Abs. 4a
Nach § 4 Abs. 4a EStG sind (bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen) betrieblich veranlasste Schuldzinsen nicht abziehbar, sondern dem Gewinn hinzuzurechnen, wenn die Entnahmen die Summe aus Gewinn und Einlagen übersteigen und damit sog. Überentnahmen vorliegen. Die Bemessungsgrundlage für das Abzugsverbot ergibt sich aus der Summe von Über- und Unterentnahmen während einer Totalperiode beginnend mit dem ersten Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. 12. 1998 geendet hat, bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr.
Die gesetzliche Regelung beruht auf der gesetzgeberischen Vorstellung, dass der Betriebsinhaber dem Betrieb bei negativem Eigenkapital nicht mehr Mittel entziehen darf als er erwirtschaftet und eingelegt hat. Damit kommt es zu einer Einschränkung des Schuldzinsenabzugs für den Fall, dass der Steuerpflichtige mehr entnimmt als ihm hierfür an Eigenkapital zur Verfügung steht.
Im Streitfall führte der Steuerpflichtige einen Kraftfahrzeughandel. Er erzielte in den Jahren von 1999 bis 2008 teils Gewinne, teils Verluste, und tätigte Entnahmen und Einlagen in ebenfalls stark schwankender Höhe. Zugleich waren im Betrieb Schuldzinsen angefallen. FA und nachfolgend auch das FG versagten in den beiden Streitjahren 2007 und 2008 für einen Teil der Schuldzinsen den Betriebsausgabenabzug, weil Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG vorgelegen hätten. Die Berechnung des FA entsprach des BMF - Schreibens v. 17. 11. 2005 - IV B 2 -S 2144- 50/05 (BStBl I 2005, 1019). Daher kam es zu einer Verrechnung mit in den Vorjahren unberücksichtigt gebliebenen Verlusten im Wege einer formlosen Verlustfortschreibung.
Der BFH begrenzt jedoch im Wege der teleologischen Reduktion die nach den Überentnahmen ermittelte Bemessungsgrundlage der nicht abziehbaren Schuldzinsen auf den von 1999 bis zum Beurteilungsjahr erzielten Entnahmenüberschuss und damit auf den Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen. So wird sichergestellt, dass ein in der Totalperiode erwirtschafteter Verlust die Bemessungsgrundlage für § 4 Abs. 4a EStG nicht erhöht und damit der Gefahr vorgebeugt, dass ein betrieblicher Verlust ohne jede Entnahme zur teilweisen Versagung des Schuldzinsenabzugs führen kann. Zudem wird der Verlust des aktuellen Jahres nicht anders bewertet als der Verlust aus Vorjahren. Dies kann für den Steuerpflichtigen in bestimmten Jahren günstiger, in anderen Jahren aber auch nachteiliger sein als der Verrechnungsmodus der Finanzverwaltung.
Im Streitfall lagen zwar kumulierte Überentnahmen im Zeitraum zwischen 1999 und dem Streitjahr 2007 in Höhe von 696.931 € (zwischen 1999 und dem Streitjahr 2008 in Höhe von 630.908 €) vor. Der Steuerpflichtige hatte in diesem Zeitraum aber nur insgesamt 391.467 € (zwischen 1999 und dem Streitjahr 2008: 419.913 €) mehr entnommen als eingelegt. Da dieser Entnahmenüberschuss die kumulierten Überentnahmen unterschreitet, bildet er die Bemessungsgrundlage für die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen. Die beim Steuerpflichtigen entstandenen Verluste führten somit nicht zu Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG.
Hinweis: Die Entscheidung ist insbesondere für Einzelunternehmer und Personengesellschaften im Bereich des Mittelstands von großer Bedeutung. Da es gleichgültig ist, in welchem Jahr innerhalb der Totalperiode Gewinne oder Verluste erzielt sowie Entnahmen oder Einlagen getätigt wurden, ist der Steuerpflichtige zu einer vorausschauenden Planung seiner Entnahmen auch in Gewinnjahren veranlasst, damit diese sich nicht durch spätere Verluste in steuerschädliche Überentnahmen verwandeln.
BFH, Urteil vom 14.3.2018, X R 17/16, veröffentlicht am 18.7.2018