10.10.2013

Nur erfahrene Auszubildende dürfen fristwahrende Schriftsätze faxen

Die Faxübermittlungen fristwahrender Schriftsätze dürfen Auszubildenden nur dann übertragen werden, wenn diese mit einer solchen Tätigkeit vertraut sind und eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat. So kann es etwa bei der Erledigung mehrerer Faxaufträge durch unerfahrene Auszubildende leicht dazu kommen, dass Faxprotokolle verwechselt, falsch zugeordnet oder missdeutet werden oder ihr Fehlen übersehen wird oder dass es eigenmächtig zur Eintragung der Fristerledigung im Kalender kommt.

BGH 12.9.2013, III ZB 7/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte die Beklagte aus einem Centermanagement-Vertrag auf Zahlung restlicher Vergütung in Anspruch genommen und ein überwiegend klagestattgebendes Urteil erwirkt. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erbaten sich nach Einlegung der Berufung am 14.11.2012 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Später beantragten sie hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Die Beklagte trug dazu vor, dass das Fristverlängerungsgesuch am 14.11.2012 um 16.28 Uhr durch die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten tätige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte F. erstellt worden sei und sodann dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt P. vorgelegt, von diesem gegen 16.50 Uhr unterzeichnet und wieder an Frau M. zur Übersendung an das Berufungsgericht per Telefax übergeben worden sei. Frau M. habe die Akte mit dem unterschriebenen Fristverlängerungsantrag der Auszubildenden T. übergeben und diese angewiesen, die Faxübersendung vorzunehmen. Später habe sich Frau M. bei ihr erkundigt, ob die Faxe durchgegangen seien, was Frau T. bejaht habe. Von einer weiteren Überprüfung habe Frau M. abgesehen.

Frau R. habe den Schriftsatz sodann in den Postausgangskorb für die Gerichtspost gelegt. Ohne weitere Kontrolle habe Frau M. die Änderung bzw. Erledigung der Fristen im elektronischen Fristenkalender und im Handkalender veranlasst. Rechtsanwalt P. habe gegen 19.00 Uhr die Fristenkalender kontrolliert und festgestellt, dass alle notierten Fristen als erledigt gekennzeichnet gewesen seien. Erst am folgenden Tage habe sich gezeigt, dass ein Faxprotokoll nicht vorhanden und der Fristverlängerungsantrag nicht gefaxt worden sei. Die Rechtsanwaltsangestellten seien angewiesen, die ausgehenden Faxe anhand des Faxprotokolls zu überprüfen, die erfolgte Prüfung auf dem Protokoll zu vermerken und erst dann die Frist im Kalender als erledigt zu kennzeichnen.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die Berufungsbegründungsfrist wurde nicht schuldlos versäumt.

Die Faxübermittlung fristwahrender Schriftsätze darf einem Auszubildenden nur dann übertragen werden, wenn dieser mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und eine regelmäßige Kontrolle seiner Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat. So kann es etwa bei der Erledigung mehrerer Faxaufträge durch unerfahrene Auszubildende leicht dazu kommen, dass Faxprotokolle verwechselt, falsch zugeordnet oder missdeutet werden oder ihr Fehlen übersehen wird oder dass es eigenmächtig zur Eintragung der Fristerledigung im Kalender kommt. Ihnen fehlt in diesem Stadium typischerweise die nötige Erfahrung im Umgang mit dem anwaltlichen Schriftverkehr und ein Bewusstsein für die Bedeutung und den Nachweis der Wahrung von Fristen.

In dem Wiedereinsetzungsantrag fanden sich allerdings keine Angaben zum Ausbildungsstand, zur Zuverlässigkeit und zur Befähigung der Auszubildenden R. Ebenso fehlten Angaben dazu, welche allgemeinen Anweisungen zum Einsatz von Auszubildenden bei der Faxübermittlung fristgebundener Schriftsätze in der betreffenden Anwaltskanzlei bestanden haben. Damit war organisatorisch insbesondere nicht ausgeschlossen, dass unerfahrene oder unzuverlässige Auszubildende mit der Aufgabe der Faxübermittlung betraut werden. Dass die Auszubildenden die Faxprotokolle den ausgebildeten Fachangestellten zur Kontrolle vorlegen müssen, bevor die Frist als erledigt gekennzeichnet werden darf, macht Regelungen über die Voraussetzungen für den Einsatz von Auszubildenden mit Rücksicht auf deren Zuverlässigkeit und Erfahrungsstand nicht entbehrlich.

Im vorliegenden Fall lag auch keine hinreichend konkrete anwaltliche Einzelanweisung vor. Bei Fehlen einer konkreten Einzelanweisung müssen allgemeine organisatorische Regelungen in der Anwaltskanzlei bestehen, die die Beachtung dieser Voraussetzungen und eine wirksame Kontrolle der Faxübermittlung durch den Auszubildenden gewährleisten. Der Vortrag der Beklagten erschöpfte sich hierzu allerdings darin, dass Rechtsanwalt P. das Fristverlängerungsgesuch nach Unterzeichnung "an Frau M. zur Übersendung an das KG per Fax" übergeben habe. Eine Einzelweisung, die - wie hier - lediglich darin bestand, den fristgebundenen Schriftsatz per Telefax an das Rechtsmittel-gericht zu übersenden, regelt nur die Art und Weise sowie den Adressaten der Übermittlung. Sie macht eine organisatorische Regelung zur Kontrolle der Faxübermittlung und zur Einschaltung von Auszubildenden weder entbehrlich noch setzt sie eine hierzu bestehende - unvollständige oder sonst mangelhafte - organisatorische Regelung außer Kraft.

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