27.10.2017

Nutzung einer Teileigentumseinheit als Flüchtlingsunterkunft

Der BGH hat vorliegend über einen zwischen zwei Teileigentümerinnen geführten Rechtsstreit entschieden, der die Zulässigkeit der Nutzung einer früher als Altenpflegeheim dienenden Teileigentumseinheit u.a. als Flüchtlingsunterkunft zum Gegenstand hatte.

BGH 27.10.2017, V ZR 193/16
Der Sachverhalt:
Die Teileigentümergemeinschaft besteht aus der Klägerin und der Beklagten. Bei der Errichtung des Gebäudes zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es als Kinderheim konzipiert und zunächst auch als solches genutzt. In den 1970er Jahren erfolgte die Aufteilung in zwei Teileigentumseinheiten. Zu dieser Zeit befand sich in der deutlich größeren Einheit Nr. 1, die inzwischen im Eigentum der Beklagten steht, ein Altenpflegeheim. In der Einheit Nr. 2 der Klägerin wurde fortlaufend eine Arztpraxis betrieben; heute ist dort eine kardiologische Praxis ansässig. Die Teilungserklärung enthält folgende Regelung:
"Herr (...) teilt hiermit das Eigentum (...) in der Weise in Miteigentumsanteile auf, dass mit jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an bestimmten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen, verbunden wird."

Im Einzelnen wurden gebildet:

  • 1. Miteigentumsanteil von 869/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an sämtlichen Räumen des Altenpflegeheims, im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichnet,
  • 2. Miteigentumsanteil von 131/1000, verbunden mit dem Sondereigentum an sämtlichen Räumen der Praxis, im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichnet.

Die Einheit Nr. 1 - das frühere Altenpflegeheim - steht seit dem Jahr 2003 leer. Die Beklagte hat zunächst angekündigt, darin ein Arbeiterwohnheim einzurichten; nunmehr will sie die Einheit als Unterkunft für Asylbewerber oder Flüchtlinge nutzen.

Das AG gab der Unterlassungsklage statt und untersagte es der Beklagten, in dem Teileigentum Nr. 1 eine Unterkunft für "Arbeiter, Asylbewerber, Flüchtlinge oder sonstige in den Raum München Zugezogene oder Gestrandete zu betreiben oder von Dritten betreiben zu lassen." Das LG wies die Berufung der Beklagten zurück. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG, da die von der Beklagten beabsichtigten Nutzungsformen im Grundsatz zulässig sind.

Die mit Wohnungs- und Teileigentum gesetzlich vorgesehenen Grundtypen der Nutzungsbefugnis (vgl. § 1 WEG) schließen sich - vorbehaltlich anderer Vereinbarungen - gegenseitig aus. Dient eine Einheit nicht zu Wohnzwecken, darf sie grundsätzlich nur zu Zwecken genutzt werden, die nicht dem Wohnen zuzuordnen sind. Wird eine Nutzung dem Wohnen zugeordnet, muss sie im Umkehrschluss in Wohnungseigentumseinheiten jedenfalls im Grundsatz als zulässig erachtet werden. Die Auslegung darf nicht dazu führen, dass eine von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligte Nutzungsform im Ergebnis weder in Wohnungs- noch in Teileigentumseinheiten erfolgen darf. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Der maßgebliche Begriff des Wohnens ist weit zu verstehen, wobei entscheidend ist, welche Nutzung in der Wohnung selbst stattfindet.

Eine (nicht zu Wohnzwecken dienende) Nutzung als Heim wird dadurch gekennzeichnet, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist, und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Die Grenzen einer Wohnnutzung werden überschritten, wenn die Nutzung nicht nur durch die schlichte Unterkunft, sondern durch die von der Einrichtung vorgegebene Organisationsstruktur und - je nach Zweck des Aufenthalts - durch Dienst- oder Pflegeleistungen und/oder durch Überwachung und Kontrolle geprägt wird. Insoweit bedarf es einer Gesamtschau verschiedener Kriterien, die die Art der Einrichtung und die bauliche Gestaltung und Beschaffenheit der Einheit einbezieht. So wird im Bereich der Altenpflege etwa das betreute Wohnen als Wohnnutzung anzusehen sein, nicht aber eine Nutzung durch stationäre Pflegeeinrichtungen, die in erster Linie Pflege- und Betreuungscharakter haben.

Was die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern angeht, dient die Überlassung von Wohnungen von üblicher Größe und Beschaffenheit an diesen Personenkreis im Grundsatz Wohnzwecken. Dagegen ist die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft i.S.v. § 53 AsylG in der Regel als heimähnliche Unterbringung anzusehen, die grundsätzlich nur in Teileigentumseinheiten erfolgen kann. Es müssen Zimmer und Betten zugewiesen, Verhaltensregeln im Hinblick auf Ruhezeiten sowie die Nutzung gemeinschaftlicher Küchen- und Sanitäranlagen aufgestellt und durchgesetzt und etwaige Konflikte zwischen den Bewohnern geschlichtet werden. Ob solche Leistungen tatsächlich erbracht werden, ist für die Unterscheidung zwischen Wohn- und Heimnutzung unerheblich; entscheidend ist, dass sie objektiv erforderlich sind, um ein gedeihliches Zusammenleben der Bewohner zu gewährleisten. Vergleichbare Kriterien gelten bei einem Arbeiterwohnheim.

Daran gemessen dienen die von der Beklagten beabsichtigten Nutzungen nicht zu Wohnzwecken. Nach ihrer aus dem Aufteilungsplan ersichtlichen baulichen Gestaltung weist die zuvor als Altenpflegeheim genutzte Einheit Nr. 1 eine heimtypische Beschaffenheit auf und ist für einen auch in einer Wohngemeinschaft unüblich großen Personenkreis ausgelegt; auch soll die Unterbringung von Arbeitern oder Flüchtlingen jeweils in Mehrbettzimmern mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Sanitäranlagen erfolgen. Da sich die Entscheidung des LG auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, war sie aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der maßgeblichen Teilungserklärung lässt sich nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass die Einheiten ausschließlich als Altenpflegeheim bzw. Praxis dienen dürfen, also auch für die Zukunft die Fortsetzung der zur Zeit der Aufteilung ausgeübten Nutzung vereinbart worden ist. Infolgedessen darf die Einheit zwar nicht zum Wohnen, aber zu jedem anderen Zweck genutzt werden, und damit auch für die von der Beklagten beabsichtigten Nutzungsformen, deren Unterlassung die Klägerin begehrt.

Linkhinweis:

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BGH PM Nr. 167 vom 27.10.2017