Nutzungswertersatzanspruch nach berechtigtem Rücktritt wird nicht durch rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess über andere Ansprüche aus demselben Sachverhalt präkludiert
BGH 30.6.2017, V ZR 134/16Der Kläger hatte der Beklagten ein Wohnhaus mit Terrasse verkauft. Die Beklagte trat von dem Kaufvertrag zurück, da die Terrasse nicht genehmigt war. In einem Vorprozess verklagte sie den Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 124.000 € und Zahlung von Schadensersatz für angefallene Erwerbsnebenkosten (Vertragskosten, Umzugskosten, Renovierungskosten) sowie Ersatz von Mietkosten i.H.v. 11.901,02 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Wohnhauses. Das LG gab der Klage teilweise, unter Abweisung der Klage wegen der Renovierung- und der Mietkosten, statt. Das Urteil wurde sodann rechtskräftig und das Wohnhaus zurückgegeben.
Anschließend verlangte der Kläger von der Beklagten Ersatz von Nutzungsvorteilen. Er berechnete diesen zeitanteilig linear aus dem Erwerbspreis und einer auf 25 Jahre kalkulierten Restnutzungsdauer mit 12.400 €. Aufgrund eines vom LG eingeholten Gutachtens erhöhte er die Klage auf den angenommenen objektiven Mietwert von 26.862 €.
Das LG gab der Klage statt. Die Berufung wies das OLG bis auf einen Teilbetrag i.H.v. 1.421 € ab. Die dagegen gerichtete Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch nach § 346 Abs. 2, § 281 Abs. 5 i.V.m. § 346 Abs. 2 BGB auf Ersatz der zeitanteilig linear aus dem Erwerbspreis abzuleitenden Wert der gezogenen Nutzungen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger nicht durch die Präklusionswirkung des Urteils im Vorprozess daran gehindert, in einem nachfolgenden Rechtsstreit Ersatz von der Beklagten von den gezogenen Nutzungen der Kaufsache auch bis zum Ende des Vorprozesses am 11.7.2013 zu verlangen. Die Tatsachenpräklusion geht nicht weiter als die Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses und der vom Kläger verlangte Ersatz der Nutzungen des Wohnhauses durch die Beklagte in den Zeittraum bis zum 11.7.2013 war im Vorprozess nicht erfasst. Es besteht keine Präklusion, selbst wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich gleiches Ziel angestrebt wird. Die erstmalige Geltendmachung von selbständigen Ansprüchen des Beklagten aus demselben Sachverhalt wie im Vorprozess wird durch das rechtskräftige Urteil nicht präkludiert. Dies wäre nur der Fall, wenn über solche Ansprüche im Rahmen des § 322 ZPO, im Wege der Widerklage oder Aufrechnung, bereits entschieden worden wäre.
Im vorliegenden Fall leitet der Kläger seinen Anspruch auf Nutzungsersatz lediglich aus dem gleichen Lebenssachverhalt wie im Vorprozess ab. Über den eigenen selbständigen Rückgewähranspruch wurde jedoch nicht rechtskräftig entschieden. Dies wäre dann eingetreten, wenn die Ansprüche des Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz der Aufwendungen mit dem Anspruch des Klägers auf Nutzungsersatz automatisch zu saldieren gewesen wären. Dies ist aber nicht der Fall, da die wechselseitigen Rückgewähransprüche nach dem Rücktritt unabhängig nebeneinander stehen und nach § 348 BGB Zug um Zug zu erfüllen sind. Dies schließt eine automatische Saldierung aus. Sie können deshalb in getrennten Prozessen auch nachträglich geltend gemacht werden.
Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger jedoch für den Zeitraum nach dem Vorprozess bis zur Rückgabe des Wohnhauses nur den zeitanteilig linear aus dem Erwerbspreis abgeleiteten Wert der Nutzungen zugesprochen. Bei der Berechnung des geschuldeten Wertersatzes für die gezogenen Nutzungen ist bei einem gegenseitigen Vertrag wie dem vorliegenden Kaufvertrag nicht deren objektiver Wert, sondern die Gegenleistung maßgeblich, bei dem Rücktritt von einem Kaufvertrag damit der Erwerbspreis. Der Kaufpreis ist Gegenleistung für den Besitz und die Nutzung der Kaufsache. Er ist damit für die Berechnung heranzuziehen.
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