21.12.2017

Organschaft: Keine sachliche Unbilligkeit bei verzögerter Registereintragung

Wird eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft infolge einer verzögerten Eintragung des Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister erst in dem auf das Jahr der Handelsregisteranmeldung folgenden Jahr steuerlich wirksam, liegt darin keine sachliche Unbilligkeit. Das gilt auch, wenn die verzögerte Eintragung auf einem Fehlverhalten einer anderen Behörde (im Streitfall: Registergericht) beruhen sollte.

Kurzbesprechung
BFH v. 23.8.2017 - I R 80/15

AO § 163
KStG § 14 Abs. 1 Satz 2, § 17

Verpflichtet sich eine GmbH mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft), ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes inländisches gewerbliches Unternehmen abzuführen, ist gemäß § 17 i.V.m. § 14 KStG 2002 das Einkommen der Organgesellschaft - soweit sich aus § 16 KStG 2002 nichts anderes ergibt - dem Träger des Unternehmens (Organträger) unter den dort bestimmten Voraussetzungen zuzurechnen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG 2002 ist das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird.

Die vorgenannten Vorschriften setzen die zivilrechtliche Wirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags voraus. Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, so wird der Gewinnabführungsvertrag nur dann wirksam, wenn die Gesellschafterversammlung der GmbH dem Vertrag zustimmt und der Vertrag in das Handelsregister der GmbH eingetragen wird. Steuerrechtlich ist ein mangels Eintragung in das Handelsregister nichtiger Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag für die Zeit seiner Durchführung nicht nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam zu behandeln.

Im entschiedenen Streitfall wurde der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15.3. 2006 erst am 26.1. 2007 in das Handelsregister der Steuerpflichtigen eingetragen und damit erst zu diesem Zeitpunkt zivilrechtlich wirksam. Eine Zurechnung des Einkommens der Steuerpflichtigen war damit erstmals für das Jahr 2007 - dem Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr der Steuerpflichtigen endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird - möglich.

Diese Rechtsfolge führt nach Auffassung des BFH auch nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit der Steuerfestsetzung. Denn der Gesetzgeber hat die Besteuerung der Organgesellschaft anstelle des Organträgers zwischen dem (auch rückwirkend möglichen) Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags und seiner Eintragung in das Handelsregister bewusst in Kauf genommen. Ein Erlass der auf dem Gewinn der Organgesellschaft lastenden Körperschaftsteuer würde damit die vom Gesetzgeber bezweckte Geltungsanordnung des Gesetzes unterlaufen. Dies gilt auch dann, wenn die verzögerte Registereintragung auf einem behördlichen Fehlverhalten des Registergerichts beruht.

Entscheidend ist, dass das Gesetz eine Zurechnung des Einkommens einer Organgesellschaft erstmals für das Kalenderjahr vorsieht, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird. Damit bestimmt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes der Tag der Eintragung des Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister als maßgeblicher Zeitpunkt für das Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrags den Zeitpunkt, in dem die Rechtsfolgen der Organschaft erstmals eintreten. Nur dies entspricht offensichtlich auch dem Willen des Gesetzgebers. Abgesehen davon, dass er weder in § 14 KStG 2002 selbst noch in einem anderen Regelungszusammenhang Ausnahmen von dem Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrags als maßgeblichem Zeitpunkt angeordnet hat, wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, auf einen anderen Umstand, z.B. den Zeitpunkt, in dem der entsprechende Antrag beim Registergericht gestellt wird, abzu¬stellen.

Der Gesetzgeber hat damit im Rahmen seiner verfassungsrechtlich zulässigen Typisierungsbefugnis die Wirkungen und Umstände des jeweiligen Einzelfalles bewusst unberücksichtigt gelassen und maßgeblich auf die Registereintragung abgestellt. Damit besteht aber der für eine sachliche Billigkeitsmaßnahme erforderliche Gesetzesüberhang über die Wertungen des Gesetzgebers nicht.

BFH, Urteil vom 23.8.2017, I R 80/15, veröffentlicht am 20.12.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt