26.01.2018

Pflichtteil kann mit Darlehensschuld verrechnet werden

Kann eine Erbin gegenüber einem Pflichtteilsanspruch mit einer zum Nachlass gehörenden Darlehensforderung gegen den Pflichtteilsberechtigten aufrechnen, muss sie keinen Pflichtteil zahlen.

OLG Hamm 14.3.2017, 10 U 62/16
Der Sachverhalt:
Der heute 68 Jahre alte Kläger und die heute 59 Jahre alte Beklagte sind Geschwister. Nachdem die Mutter im September 2011 im Alter von 86 Jahren verstorben war, verlangte der Kläger den Pflichtteil. Nach dem Tode ihres 74-jährigen Ehemanns im Jahr 1994 war die Mutter Alleinerbin und damit Alleineigentümerin eines Hausgrundstücks geworden. Auf diesem hatte der Kläger in den 1970er Jahren einen Anbau an das Wohnhaus seiner Eltern errichtet.

Im Rahmen einer Umschuldung des Klägers Anfang der 1990er Jahre erwarb sein im Jahre 1970 geborener Sohn das Teilgrundstück mit dem Anbau. Von seinen Eltern erhielt der Kläger nach einem notariell beurkundeten Vertrag aus dem Jahre 1992 ein Darlehen, das i.H.v. 48.572 € noch nicht getilgt ist. Mit einem im Jahr 1998 errichteten Testament bestimmte die Mutter die Beklagte zu ihrer Alleinerbin und ordnete an, dass sich der Kläger den nicht zurückgezahlten Darlehnsbetrag auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen müsse.

Nach dem Tode der Mutter hat der Kläger von der Beklagten einen mit ca. 44.650 € berechneten Pflichtteil geltend gemacht, dessen Zahlung die Beklagte nach Aufrechnung mit dem zwischenzeitlich gekündigten Darlehen verweigerte. Zur Begründung seiner gegen die Beklagte erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger u.a. vorgetragen, keine Darlehensrückzahlung zu schulden. Der Darlehensvertrag aus dem Jahr 1992 sei ein Scheingeschäft gewesen und von seiner damaligen Bank erzwungen worden. Seine Bankschulden hätten seine Eltern gegen seinen Willen bezahlt und eine Erstattung von ihm, dem Kläger, nie eingefordert.

Das LG wies die Klage ab. Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Revisionsverfahren ist beim BGH unter dem Az. IV ZR 118/17 anhängig.

Die Gründe:
Zwar stand dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 Abs. 1 BGB i.H.v. 44.644 € zu. Dieser Anspruch reduzierte sich aber nach Abzug einer bereits vorprozessual geleisteten Zahlung von 2.200,-€ auf 42.444,55 € und ist aufgrund der in diesem Rechtsstreit erklärten Aufrechnung mit einer Gegenforderung i.H.v. 48.572 € vollständig erloschen.

Die Erblasserin hatte ein Nachlass im Wert von ca. 178.600 € hinterlassen, aus dem sich - ausgehend von einem hälftigen gesetzlichen Erbteil - ein Pflichtteilsanspruch des Klägers i.H.v. ca. 44.650 € errechnete. Dieser Anspruch war allerdings aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen. Infolge des Erbfalls hatte die Beklagte den Darlehensrückzahlungsanspruch ihrer Mutter gegen den Kläger erworben. Mit diesem Rückzahlungsanspruch konnte sie gegenüber dem Pflichtteilsanspruch aufrechnen.

Dem Kläger war 1992 von seinen Eltern ein Darlehen zur Ablösung seiner Schulden gewährt worden, das i.H.v. 48.572 € noch nicht getilgt ist. Die notarielle Vereinbarung aus dem Jahr 1992 bestätige diese Rückzahlungsverpflichtung, die der Kläger in der Urkunde anerkannt hatte. Dass die beurkundete Vereinbarung ein Scheingeschäft gewesen oder vom Kläger seinerzeit durch ein unlauteres Verhalten seiner Bank erzwungen worden war, konnte der Kläger nicht beweisen. Insoweit folgte der Senat der Beweiswürdigung des LG. Dieses hatte sich nach der Vernehmung des Sohnes des Klägers und des den Vertrag aus dem Jahr 1992 beurkundenden Notars von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers nicht überzeugen können.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 26.1.2018