06.02.2019

Pkw-Maut rechtens: Keine Diskriminierung von Fahrern ausländischer Fahrzeuge

Generalanwalt Wahl hat dem EuGH vorgeschlagen, die Klage Österreichs gegen die neue deutsche Autobahngebühr abzuweisen. Der Umstand, dass Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen eine Steuerentlastung bei der deutschen Kraftfahrzeugsteuer zugutekomme, die dem Betrag der Infrastrukturabgabe entspreche, stelle keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar.

EuGH, C-591/17: Schlussanträge des Generalanwalts vom 6.2.2019
Der Sachverhalt:

Deutschland hat 2015 das Infrastrukturabgabengesetz erlassen. Dieses sieht die Erhebung einer Gebühr für die Benutzung von Bundesfernstraßen (insbesondere Autobahnen) mit Fahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen vor (sog. Infrastrukturabgabe). Für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge (inländische Fahrzeuge) ist die Abgabe vom Fahrzeughalter im Voraus in Form einer Jahresvignette zu entrichten. Bei im Ausland zugelassenen Fahrzeugen gilt die Verpflichtung zur Zahlung der Infrastrukturabgabe entweder dem Halter oder dem Fahrer und entsteht mit der ersten Benutzung von Bundesfernstraßen nach einem Grenzübertritt. Für diese Fahrzeuge stehen drei Optionen zur Verfügung: eine Zehntagesvignette, eine Zweimonatsvignette und eine Jahresvignette. Abhängig vom Hubraum, der Art des Motors und der Emissionsklasse liegt der Preis einer Zehntagesvignette zwischen mindestens 2,50 € und höchstens 25 €. Der Preis der Zweimonatsvignette liegt zwischen mindestens 7 € und höchstens 55 €. Die Jahresvignette schließlich hat einen Höchstpreis von 130 €.

Mit Beginn der Erhebung der Infrastrukturabgabe wird den Haltern inländischer Fahrzeuge eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer zugutekommen, die dem Betrag der Infrastrukturabgabe entsprechen wird (Haltern von Euro-6-Fahrzeugen wird sogar eine noch höhere Steuerentlastung zugutekommen). Österreich ist der Ansicht, dass Deutschland mit der Festlegung der Infrastrukturabgabe gegen mehrere Bestimmungen des Unionsrechts verstoßen habe. Die Infrastrukturabgabe und die Steuerentlastung für Halter inländischer Fahrzeuge wirken sich nach Auffassung Österreichs in der Kombination insbesondere dahin aus, dass in der Praxis nur die Fahrer von Fahrzeugen, die in anderen Mitgliedstaaten zugelassen seien (ausländische Fahrzeuge), der Infrastrukturabgabe unterlägen, was zu einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führe.

Da die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren, das sie gegen Deutschland eingeleitet hatte, eingestellt hat (nachdem Deutschland die nationalen Rechtsvorschriften hinsichtlich des Preises für Kurzzeitvignetten und der Steuerentlastung geändert hatte), hat Österreich beim EuGH gegen Deutschland eine Vertragsverletzungsklage erhoben. In diesem Verfahren wird Österreich von den Niederlanden unterstützt, während Deutschland von Dänemark unterstützt wird. Diese Rechtssache ist eine der seltenen Rechtssachen, in denen ein Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen anderen Mitgliedstaat eingeleitet hat.

In seinen Schlussanträgen hat Generalanwalt Nils Wahl dem EuGH vorgeschlagen, die von Österreich gegen Deutschland erhobene Klage abzuweisen.

Die Gründe:

Österreich ist es nicht gelungen, seinen Standpunkt in Bezug auf zwei Diskriminierungsgrundsätze überzeugend darzulegen.

Erstens befinden sich die beiden Personengruppen, die Österreich miteinander verglichen hat, in Bezug auf die Maßnahmen, die es beanstandet, nicht in einer vergleichbaren Situation. Halter inländischer Fahrzeuge sind sowohl Nutzer deutscher Straßen und unterliegen damit der Infrastrukturabgabe, als auch deutsche Steuerzahler, da sie der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen. Hingegen handelt es sich bei den Fahrern ausländischer Fahrzeuge um Steuerzahler anderer Mitgliedstaaten: Sie können als solche anderen Steuern oder Abgaben in ihrem jeweiligen Wohnsitzland unterliegen, aber sie werden niemals verpflichtet sein, deutsche Kraftfahrzeugsteuer zu zahlen.

Zweitens hat Österreich keine weniger günstige Behandlung darlegen können, die die in Rede stehenden Maßnahmen für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge bedeuten würden. Es ist einzuräumen, dass die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer, die von den Fahrzeughaltern inländischer Fahrzeuge zu entrichten ist, dank der Steuerentlastung geringer sein wird als in der Vergangenheit. Aber selbst wenn die Steuerentlastung eine "Nullreduzierung" der Kraftfahrzeugsteuer zur Folge hätte (was nicht der Fall ist), wäre jeder ausländische Fahrer verpflichtet, für die Benutzung deutscher Autobahnen einen Betrag zu zahlen, der höchstens so hoch wäre, wie der Betrag, der von den Haltern inländischer Fahrzeuge zu zahlen wäre.

Die deutschen Behörden haben indes völlig zu Recht die Ansicht vertreten, dass erstens die Kosten des Autobahnnetzes, die bisher hauptsächlich von den Steuerzahlern getragen werden, gleichmäßig auf alle Nutzer, einschließlich der Fahrer ausländischer Fahrzeuge, aufgeteilt werden müssen, und zweitens, dass die Halter inländischer Fahrzeuge einer unverhältnismäßig hohen Besteuerung unterworfen werden, wenn sie sowohl der Infrastrukturabgabe als auch der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen würden.

Was die behauptete Verletzung des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs anbelangt, hat Österreich im Hinblick auf eine mögliche Auswirkung der Infrastrukturabgabe auf den grenzüberschreitenden Handel keinerlei Nachweise erbracht. Weiterhin ist ein Verstoß gegen die Stillhalteklausel, die es den Mitgliedstaaten untersagt, Vorschriften in ihren Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer anderer Mitgliedstaaten ungünstiger zu gestalten, nicht ersichtlich. Und schließlich steht die Infrastrukturabgabe mit zwei weithin anerkannten Dogmen der EU-Verkehrspolitik - die Kosten im Zusammenhang mit der Benutzung von Verkehrsinfrastrukturen sollen auf dem "Benutzerprinzip" und dem "Verursacherprinzip" beruhen - in Einklang.

Linkhinweis:

EuGH PM Nr. 9 vom 6.2.2019