10.01.2020

Privates Veräußerungsgeschäft: Unentgeltlicher Erwerb bei Übertragung ohne Übernahme der Darlehen des Rechtsvorgängers

Ein unentgeltlicher Erwerb i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn im Rahmen der Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein (dingliches) Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherte Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 03.09.2019 - IX R 8/18

HGB § 255 Abs. 1 Satz 1
EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1


Die Beteiligten streiten über einen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft (§ 23 EStG) bei einem Grundstück. Die Steuerpflichtige erwarb am 27.10.2004 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter unter Übernahme der in Abteilung III des Grundbuchs eingetragenen Grundschulden über insgesamt 400.000 DM ein Grundstück in B. Nicht übernommen wurden von ihr die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen. Die Darlehen wurden nach der Grundstücksübertragung weiterhin von der Mutter der Steuerpflichtigen bedient. Zugleich mit der Übertragung des Grundstücks bestellte die Steuerpflichtige ihrer Mutter und deren damaligen Lebensgefährten ein lebenslanges dingliches Wohnrecht.

Am 14.09.2007 veräußerte die Klägerin das gesamte Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 530.000 €. Die Veräußerung erfolgte lastenfrei. Vom Kaufpreis entfielen 15.000 € auf den Verkauf "beweglicher Güter". Von dem auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreis wurden die durch die Grundschulden besicherten Darlehen in Höhe von 265.748 € bedient. Der Restkaufpreis in Höhe von rund 264.250 € wurde an die Steuerpflichtige ausgekehrt.

Das FA versteuerte einen Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG, da eine Steuerbefreiung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht eingreife, weil das Grundstück nicht im Jahr der Veräußerung sowie in den beiden Vorjahren von der Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei.

Der BFH stellte zunächst heraus, dass von einem unentgeltlichen Erwerb der Steuerpflichtigen mit Vertrag vom 27.10.2004 auszugehen ist. Ein unentgeltlicher Erwerb liegt vor, wenn der Erwerber keine Gegenleistung erbringt. Die Übernahme von Schulden beim Erwerb eines Grundstücks hingegen stellt eine Gegenleistung dar. Es liegt in Höhe der Schuldübernahme ein Entgelt vor, denn der Übertragende wird von einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit befreit, in die der Übernehmer des Grundstücks eintritt.

Werden die Schulden nicht übernommen, sondern das Grundstück übereignet, die auf dem Grundstück lastenden (Brief- oder Buch-) Grundschulden mit übernommen und - wie im Streitfall - keine Freistellung des Übertragenden von den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verbindlichkeiten vereinbart, liegt weiterhin ein unentgeltlicher Erwerb vor. Denn in diesem Fall erbringt der Erwerber keine Gegenleistung, sondern erwirbt nur das um den Wert der Belastungen geminderte Grundstück. Eine Verbindlichkeit setzt eine dem schuldrechtlichen Anspruch des Gläubigers auf ein bestimmtes Handeln (§ 194 Abs. 1 BGB) entsprechende Leistungspflicht in der Person des Schuldners selbst voraus.

Daran fehlt es im Fall einer dinglichen Belastung des Grundstücks, die lediglich den Wert des Grundstücks mindert. Denn der Übertragende übereignete nur das belastete Grundstück, nicht die mit den Belastungen zusammenhängenden schuldrechtlichen Verbindlichkeiten. Die Grundschuld stellt ein Grundpfandrecht ohne Bindung an eine persönliche Forderung dar. Dass die Grundschuld über die Sicherungsvereinbarung mit der zugrunde liegenden Verbindlichkeit verbunden ist, führt nicht zur Übertragung der Verbindlichkeit. Denn die Grundschuld berechtigt nur dazu, dass der Grundstückseigentümer die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden und der Grundschuldgläubiger einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags aus dem Veräußerungserlös hat.

Daran änderte auch die im Übertragungsvertrag geregelte Einräumung eines dinglichen Wohnrechts nichts. Denn der Wert des zurückbehaltenen Wohnrechts ist nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen. Die Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnrechts (§ 1093 BGB) führt zivilrechtlich und steuerlich zu einem unentgeltlichen Erwerb. Bestellt der Erwerber eines Wirtschaftsguts im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts zu Gunsten des Übertragenden ein Nutzungsrecht, gehört der Kapitalwert nicht zu den Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB. Vielmehr mindert das dingliche Wohnrecht von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens.

Im Streitfall lag auch eine Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vor. Die Mutter der Steuerpflichtigen hatte das Grundstück am 08.12.1998 erworben. Die unentgeltliche Übertragung an die Steuerpflichtige erfolgte am 27.10.2004 mit der Folge, dass die Steuerpflichtige in die noch laufende Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eintrat. Die durch die Steuerpflichtige erfolgte Veräußerung fand am 14.09.2007 und damit noch innerhalb der Zehnjahresfrist statt. Eine den Steuertatbestand ausschließende Selbstnutzung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG lag nur hinsichtlich des Nebengebäudes, nicht jedoch hinsichtlich des Hauptgebäudes vor.

Im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus dem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist die von der Steuerpflichtigen aus dem Kaufpreis beglichenen Darlehensverbindlichkeiten nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Immobilie einzuordnen.

Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Der in § 23 EStG verwendete Begriff "Anschaffungskosten" ist i.S. des § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 HGB auszulegen. Nachträgliche Anschaffungskosten nach § 255 Abs. 1 Satz 2  2. Alternative HGB sind Ausgaben, die nach Abschluss des ursprünglichen Beschaffungsvorgangs anfallen, um die Verwendbarkeit eines Vermögensgegenstandes zu ändern oder zu verbessern. Sie müssen in einem ursächlichen Veranlassungszusammenhang mit der Anschaffung stehen, also durch das Anschaffungsgeschäft veranlasst sein. Wenn die Ausgaben durch den Inhaber des Wirtschaftsguts selbst erfolgt sind und daher zu Aufwendungen geführt haben, liegen nachträgliche Anschaffungskosten nur vor, wenn die Art und/oder Qualität des Wirtschaftsguts unverändert geblieben ist.

Steht einem Dritten ein dingliches Recht an einem Grundstück zu und löst der Eigentümer das dingliche Recht ab, sind die Ablösezahlungen dann nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB, wenn durch das dingliche Recht die Befugnisse des Eigentümers i.S. von § 903 BGB, wozu u.a. auch das Recht auf Nutzung und Veräußerung des Vermögensgegenstandes zählt, beschränkt waren und der Eigentümer durch die Ablösezahlung die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse beseitigt und sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück ver­schafft.

Erwirbt ein Steuerpflichtiger einen mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten Gegenstand, so erhält er zunächst um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum. Löst er das Nutzungsrecht ab, so verschafft er sich die vollständige Eigentümerbefugnis an dem Gegenstand. Daher sind Aufwendungen zur Befreiung von einem Nießbrauch als nachträgliche Anschaffungskosten einzustufen.

Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen allerdings nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht übernommen hat. Die Belastung eines unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsguts mit einer Grundschuld führt nicht zu Anschaffungskosten. Denn die Belastung mit einer Grundschuld beruht weder auf einem entgeltlichen Anschaffungsgeschäft noch verändert sie die Nutzbarkeit des Grundstücks oder dient der Herstellung eines be­triebsbereiten Zustands. Die Eintragung einer Grundschuld hat keine Einschränkung der Nutzungsbefugnisse zur Folge. Die Belastung sichert auch nicht den Übergang in die Verfügungsmacht des Erwerbers, da sie über die Sicherungsvereinbarung nur den Darlehensanspruch des Gläubigers, nicht aber den Verschaffungsanspruch des Erwerbers absichert.

Entsprechendes gilt für die Löschung der Grundschuld. Die Löschung der Grundschuld führt nicht zu einer (weitergehenden) Verschaffung der (dinglichen) Verfügungsmacht über das Grundstück und erweitert auch nicht die Nutzungsbefugnisse. Das (wirtschaftliche) Eigentum und der Besitz sind bereits bei (unentgeltlichem) Erwerb des Grundstücks übergegangen. Die spätere Zahlung auf das Darlehen, das die Grundschuld besichert, hat hierauf keine Auswirkung. Sie erweitert nicht die Verfügungsbefugnis des Grundstückseigentümers. Dieser kann das Grundstück lastenfrei auf den Erwerber übertragen und die den Grundschulden zugrunde liegenden Drittverbindlichkeiten tilgen. Alternativ kann der Veräußerer die Grundschuld auch bestehen lassen und mit dem Erwerber eine Übernahme der besicherten Darlehensverbindlichkeiten an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB) unter Anrechnung auf den Kaufpreis vereinbaren.

Im Streitfall hatte daher das FG zu Recht wegen der Zahlung auf die Darlehen das Entstehen nachträglicher Anschaffungskosten in Höhe von 265.748 € verneint. Denn dieser Betrag ist geleistet worden, um Verbindlichkeiten eines Dritten - hier der Mutter der Steuerpflichtigen - abzulösen. Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige das Eigentum an dem Grundstück bereits im Jahr 2004 unentgeltlich durch Schenkung erworben. Der Erwerbsvorgang war seinerzeit abgeschlossen. Die Tilgung war nicht auf eine Verschaffung oder Erweiterung der dinglichen Verfügungsmacht gerichtet. Bei wirtschaftlicher Betrachtung entfällt die Ablösezahlung allein auf die Tilgung der den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehensverbindlichkeiten und nicht auf die Anschaffung des Grundstücks.

Eine Einordnung der Tilgungsbeträge als Veräußerungskosten scheidet ebenfalls aus. Veräußerungskosten sind alle durch den Veräußerungsvorgang veranlassten Kosten, die nicht zu den nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gehören und auch nicht im Rahmen einer steuerlich relevanten Zwischennutzung Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellen oder wegen privater Nutzung nach § 12 EStG nicht abziehbar sind. Abziehbar sind danach die durch die Veräußerung des Wirtschaftguts veranlassten Aufwendungen.

Die streitigen Aufwendungen der Steuerpflichtigen waren jedoch nicht durch die Veräußerung veranlasst. Vielmehr hatte sie private Verbindlichkeiten ihrer Mutter mit dem Veräußerungserlös getilgt. Diese Verwendung der erlangten Mittel steht mit der Veräußerung weder unmittelbar noch mittelbar in Zusammenhang. Die Zahlung hat sich zudem zeitlich - durch Einzahlung auf ein Anderkonto - nach der Veräußerung abgespielt und hat auch keinen Niederschlag im Kaufvertrag zwischen Veräußerer und Erwerber gefunden. Die bloße Verwendung des Veräußerungserlöses zur Tilgung privater Verbindlichkeiten nach der Veräußerung führt nicht zur Entstehung von Veräußerungskosten i.S. von § 23 Abs. 3 EStG.
 
Verlag Dr. Otto Schmidt