02.10.2019

Prozesskostenhilfe: Unter welchen Voraussetzungen hat ein Mahnverfahren hinreichende Erfolgsaussicht?

Die hinreichende Erfolgsaussicht für ein Mahnverfahren kann nicht allein deshalb verneint werden, weil ein Widerspruch des Antragsgegners zu erwarten ist. In einem solchen Fall kann auch nicht ohne Weiteres die Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung angenommen werden. Hierfür bedarf es vielmehr der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

BGH v. 21.8.2019 - VII ZB 48/16
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. Am 28.12.2015 hatte er beim Amtsgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Erlass eines Mahnbescheids gegen den weiteren Beteiligten wegen einer Forderung aus Werkvertrag/Werklieferungsvertrag i.H.v. 4.429 € nebst Zinsen beantragt. Das Gericht hat den weiteren Beteiligten angehört, der daraufhin angekündigte, gegen einen etwaigen Mahnbescheid Widerspruch einlegen zu wollen. Das Amtsgericht hat sodann den Antrag mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos. Auf die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat der BGH die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers nach den bisherigen Feststellungen hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen führt der Umstand, dass der Gegner angekündigt hat, gegen einen Mahnbescheid gegebenenfalls Widerspruch einzulegen, nicht dazu, dass es an hinreichender Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt. Die Durchführung eines Mahnverfahrens muss nämlich nicht auf das Ziel beschränkt sein, einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen. Das Mahnverfahren bietet dem Gläubiger auch weitere Vorteile, die unabhängig von der Möglichkeit sind, einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen, und die in der Praxis nicht unerhebliche Bedeutung haben. Es kann etwa als Vorstufe zum Klageverfahren dienen, was im Vergleich zur unmittelbaren Klageerhebung mit Erleichterungen verbunden ist.

Würde man des einem bedürftigen Gläubiger allein wegen eines zu erwartenden Widerspruchs versagen, indem man ihn auf ein Klageverfahren verweisen und für ein Mahnverfahren keine Prozesskostenhilfe gewähren würde, stünde er schlechter als derjenige, der die Kosten für das Mahnverfahren aus eigenen Mitteln aufbringen kann. Für eine solche Schlechterstellung findet sich im Gesetz keine Rechtfertigung. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren besonderen Voraussetzungen zu unterwerfen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Vorteile eines Mahnverfahrens vom Zweck des Gesetzes nicht mehr umfasst wären und nur einen unbeachtlichen Reflex darstellten.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers erscheint auch nicht als mutwillig i.S.v. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 114 Abs. 2, § 116 Satz 2 ZPO. Der BGH hat zwar bereits in mehreren Fällen, in denen der Antragsgegner angekündigt hatte, er werde gegen einen eventuellen Mahnbescheid unverzüglich Widerspruch einlegen, angenommen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers mutwillig erscheine (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2017 - III ZB 37/17; Beschl. v. 28.11.2017 - X ZA 1/16 und 2/16; Beschl. v. 11.1.2018 - III ZB 87/17). Diese Entscheidungen stehen indes, wie der III. Zivilsenat und der X. Zivilsenat auf Anfrage mitgeteilt haben, der vorstehenden Beurteilung nicht entgegen. Sie beruhen danach auf einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls, aus denen abzuleiten ist, ob eine verständige Partei, die auch das Kostenrisiko i.V.m. den Prozessaussichten berücksichtigt und abwägt, das Mahnverfahren einleiten würde.

Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Bislang sind weder Feststellungen dazu getroffen, ob der Mahnbescheidsantrag im Übrigen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, noch, ob die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen. Die Sache ist daher an das Amtsgericht zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1, § 572 Abs. 3 ZPO.

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