Rückgabe der Mietsache: Voraussetzungen für die kurze Verjährungsfrist
BGH v. 27.2.2019 - XII ZR 63/18
Der Sachverhalt:
Das beklagte Land hatte das Mietverhältnis über das von ihm als Gerichtsstandort angemietete Bürogebäude aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 5.7.2012 zum 30.9.2012 gekündigt. Nach § 16 Abs. 1 des Mietvertrags (MV) hatte der Beklagte die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses vollständig geräumt, gesäubert und in fachgerecht renoviertem, soweit erforderlich, und instandgesetztem Zustand zurückzugeben oder auf Verlangen der Vermieterin hierfür einen angemessenen Geldbetrag zu zahlen. Gem. § 16 Abs. 2 MV hatte er außerdem von ihm vorgenommene Einbauten zu entfernen und den ursprünglichen Zustand auf seine Kosten handwerksgerecht wiederherzustellen, wobei jedoch die Vermieterin nach § 16 Abs. 2.1 MV berechtigt war, gegen Erstattung des Zeitwerts den Verbleib der Einbauten zu verlangen und diese zu übernehmen.
Im Oktober 2012 räumte der Beklagte das Objekt, ohne die von ihm vorgenommenen Einbauten zu entfernen. Mit Anwaltsschreiben vom 9.11.2012 erklärte er gegenüber der Klägerin u.a.: "Namens und in Vollmacht meiner Mandantin biete ich Ihnen hiermit die Rückgabe der Mieträume ab sofort an und schlage auch im Hinblick auf die von Ihnen beabsichtigten Sanierungs- und Umbauarbeiten einen kurzfristigen Vor-Ort-Termin vor. Dieser sollte auch der Abstimmung der insbesondere gem. § 16 des Mietvertrags denkbaren Interessenlagen (etwa der Übergabe der von meiner Mandantin installierten Zentralschließanlage) dienen".
Nach einer gemeinsamen Besichtigung teilte die Klägerin dem Beklagten am 24.1.2013 mit, welche Mietereinbauten noch zurückgebaut und welche Instandsetzungsmaßnahmen noch durch den Mieter durchgeführt werden müssten, wofür sie eine Frist bis zum 5.2.2013 setzte. Nach Durchführung dieser Arbeiten erfolgte die Rückgabe des Objekts am 8.2.2013 im Beisein beider Parteien, worüber die Klägerin ein nicht unterschriebenes Protokoll fertigte. In der Folgezeit forderte sie den Beklagten zu weiteren Mängelbeseitigungsarbeiten auf, welche dieser am 13.6.2013 endgültig ablehnte. Gegen die am 8.7.2013 eingegangene und am 1.8.2013 zugestellte Klage verteidigt sich der Beklagte u.a. mit der Verjährungseinrede.
Das LG gab der auf Zahlung von 96.843 € gerichteten Klage i.H.v. 19.423 € statt. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Klage unter Zurückweisung der selbstständigen Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie eine weitergehende Verurteilung von noch 76.289 € verfolgt hatte, insgesamt abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückgewiesen.
Gründe:
Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache sind - entgegen der Ansicht des OLG - nicht verjährt.
Ersatzansprüche des Vermieters verjähren in einem solchen Fall in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Nach BGH-Rechtsprechung setzt der Rückerhalt im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil er erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen. Zum anderen ist erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgibt. Dass der Vermieter/Verpächter (vorübergehend) die Möglichkeit erhält, während des (auch nur mittelbaren) Besitzes des Mieters die Mieträume besichtigen zu lassen, genügt hingegen nicht.
Infolgedessen hat die Verjährung der von der Klägerin erhobenen Ansprüche erst mit dem Ablauf des 8.2.2013 begonnen und ist der Verjährungsablauf durch die vor Ablauf von sechs Monaten erfolgte Klageerhebung gehemmt worden. Denn die Klägerin hat die unmittelbare Sachherrschaft über das Mietobjekt erst am 8.2.2013 durch förmliche Rückgabe und Aushändigung der Schließmittel zurückerhalten. Zuvor hatte der Beklagte den Besitz noch nicht vollständig und unzweideutig zugunsten der Klägerin aufgegeben. Entgegen der Auffassung des OLG ändert auch das Schreiben der Klägerin vom 9.11.2012 daran nichts. Damit war nämlich keine vorbehaltlose Besitzaufgabe zugunsten der Klägerin gemeint.
Linkhinweise:
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Das beklagte Land hatte das Mietverhältnis über das von ihm als Gerichtsstandort angemietete Bürogebäude aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 5.7.2012 zum 30.9.2012 gekündigt. Nach § 16 Abs. 1 des Mietvertrags (MV) hatte der Beklagte die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses vollständig geräumt, gesäubert und in fachgerecht renoviertem, soweit erforderlich, und instandgesetztem Zustand zurückzugeben oder auf Verlangen der Vermieterin hierfür einen angemessenen Geldbetrag zu zahlen. Gem. § 16 Abs. 2 MV hatte er außerdem von ihm vorgenommene Einbauten zu entfernen und den ursprünglichen Zustand auf seine Kosten handwerksgerecht wiederherzustellen, wobei jedoch die Vermieterin nach § 16 Abs. 2.1 MV berechtigt war, gegen Erstattung des Zeitwerts den Verbleib der Einbauten zu verlangen und diese zu übernehmen.
Im Oktober 2012 räumte der Beklagte das Objekt, ohne die von ihm vorgenommenen Einbauten zu entfernen. Mit Anwaltsschreiben vom 9.11.2012 erklärte er gegenüber der Klägerin u.a.: "Namens und in Vollmacht meiner Mandantin biete ich Ihnen hiermit die Rückgabe der Mieträume ab sofort an und schlage auch im Hinblick auf die von Ihnen beabsichtigten Sanierungs- und Umbauarbeiten einen kurzfristigen Vor-Ort-Termin vor. Dieser sollte auch der Abstimmung der insbesondere gem. § 16 des Mietvertrags denkbaren Interessenlagen (etwa der Übergabe der von meiner Mandantin installierten Zentralschließanlage) dienen".
Nach einer gemeinsamen Besichtigung teilte die Klägerin dem Beklagten am 24.1.2013 mit, welche Mietereinbauten noch zurückgebaut und welche Instandsetzungsmaßnahmen noch durch den Mieter durchgeführt werden müssten, wofür sie eine Frist bis zum 5.2.2013 setzte. Nach Durchführung dieser Arbeiten erfolgte die Rückgabe des Objekts am 8.2.2013 im Beisein beider Parteien, worüber die Klägerin ein nicht unterschriebenes Protokoll fertigte. In der Folgezeit forderte sie den Beklagten zu weiteren Mängelbeseitigungsarbeiten auf, welche dieser am 13.6.2013 endgültig ablehnte. Gegen die am 8.7.2013 eingegangene und am 1.8.2013 zugestellte Klage verteidigt sich der Beklagte u.a. mit der Verjährungseinrede.
Das LG gab der auf Zahlung von 96.843 € gerichteten Klage i.H.v. 19.423 € statt. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Klage unter Zurückweisung der selbstständigen Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie eine weitergehende Verurteilung von noch 76.289 € verfolgt hatte, insgesamt abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückgewiesen.
Gründe:
Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache sind - entgegen der Ansicht des OLG - nicht verjährt.
Ersatzansprüche des Vermieters verjähren in einem solchen Fall in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Nach BGH-Rechtsprechung setzt der Rückerhalt im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil er erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen. Zum anderen ist erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgibt. Dass der Vermieter/Verpächter (vorübergehend) die Möglichkeit erhält, während des (auch nur mittelbaren) Besitzes des Mieters die Mieträume besichtigen zu lassen, genügt hingegen nicht.
Infolgedessen hat die Verjährung der von der Klägerin erhobenen Ansprüche erst mit dem Ablauf des 8.2.2013 begonnen und ist der Verjährungsablauf durch die vor Ablauf von sechs Monaten erfolgte Klageerhebung gehemmt worden. Denn die Klägerin hat die unmittelbare Sachherrschaft über das Mietobjekt erst am 8.2.2013 durch förmliche Rückgabe und Aushändigung der Schließmittel zurückerhalten. Zuvor hatte der Beklagte den Besitz noch nicht vollständig und unzweideutig zugunsten der Klägerin aufgegeben. Entgegen der Auffassung des OLG ändert auch das Schreiben der Klägerin vom 9.11.2012 daran nichts. Damit war nämlich keine vorbehaltlose Besitzaufgabe zugunsten der Klägerin gemeint.
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